IOC berät über Russland Komplett-Ausschluss rückt näher

Lausanne · Das IOC hat weitere fünf russische Wintersportler lebenslang gesperrt.

 Denis Oswald und sein Team greifen hart gegen russische Athleten durch.

Denis Oswald und sein Team greifen hart gegen russische Athleten durch.

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) bleibt im Urteil gegen Russlands Dopingsünder hart – kommt jetzt auch der Komplett-Ausschluss? Für den Sportrechtsexperten Michael Lehner kann es keine andere Entscheidung geben, nachdem die Oswald-Kommission am späten Montagabend mit weiteren fünf lebenslangen Olympiasperren gegen russische Athleten und einer Erklärung ein Zeichen gesetzt habe.

Für Lehner hat die Oswald-Gruppe das systematische Doping in Russland mit Beteiligung des Verbandes bestätigt. Das müsse Konsequenzen haben. „Wenn der Athlet lebenslang gesperrt wird, dann muss die Schuld des Systems mindestens genauso groß sein. Das wäre nur logisch“, sagte der Experte und forderte den Ausschluss der Sportgroßmacht von den Winterspielen in Pyeongchang (9. bis 25. Februar).

Der Schweizer Denis Oswald und sein Team hatten erstmals auch eine Urteilsbegründung veröffentlicht, die sich auf den zuvor gesperrten Skilanglauf-Olympiasieger Alexander Legkow bezog. Daraus ging hervor, dass man Whistleblower Grigorij Rodtschenkow und Ermittler Richard McLaren großen Glauben schenkt. Beide hatten Russland ein über Jahre hinweg funktionierendes Dopingsystem mit Unterstützung der Institutionen attestiert.

Rodtschenkow sei ein „glaubwürdiger Zeuge“, hieß es. Das von ihm dargestellte System vom Austausch der Dopingproben während der Winterspiele in Sotschi sei nachvollziehbar. Auch gebe es Hinweise, dass Flaschen – wie von Rodtschenkow beschrieben – geöffnet wurden, um Inhalte zu vertauschen. Eine Probe von Legkow soll Kratzer aufgewiesen haben, die beim Öffnen der Behälter entstanden sind. Auch sei es sicher, dass Athleten in das Betrugssystem eingeweiht waren.

Oswald sprach von einer „Verschwörung“, die die Olympischen Spiele auf „die schlimmstmögliche Weise infiziert und untergraben“ habe. Bislang seien allerdings noch nicht die „adäquaten Konsequenzen“ gezogen worden. Das wiederum könnte als Hinweis darauf gewertet werden, dass die Kommission für den 5. Dezember ein hartes Durchgreifen für richtig hält. Dann wird auf Grundlage der Ergebnisse einer weiteren Untersuchungsgruppe die Frage beantwortet, inwieweit russische Politiker und Behörden an dem Betrugssystem beteiligt waren und ob das Riesenreich komplett von den Winterspielen ausgeschlossen wird.

Zu den fünf Athleten, die am Montagabend lebenslang für Olympia gesperrt wurden, gehörten die Biathletinnen Olga Wiluchina (Olympia-Silber in Sotschi im Sprint und mit der Staffel) und Jana Romanowa (Staffel-Silber). Außerdem waren die Bobfahrer Alexej Negodailo und Dimitrij Trunenkow (beide Gold im Vierer) sowie Skeleton-Pilot Sergej Tschudinow (Platz fünf) betroffen.

Alle Athleten kündigten an, die Entscheidung des IOC anzufechten und vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS zu ziehen. „Was jetzt passiert, ist eine schreckliche Ungerechtigkeit. Andere Athleten haben schon viel darüber gesagt, man will nur schreien“, sagte Romanowa. Auch Lehner empfindet die lebenslangen Strafen für die Athleten als „hart“, zumal es sich auch um Ersttäter handele und die Beweislage nicht immer ganz klar sei. In den letzten Wochen wurden gegen insgesamt 19 Russen lebenslange Olympiasperren ausgesprochen.

Der Heidelberger Wissenschaftler ahnt nichts Gutes. Er könne sich gut vorstellen, dass das IOC in den Einzelfallentscheidungen extra eine harte Hand zeigen wolle, um dann in der Frage des Komplett-Ausschlusses am kommenden Dienstag milde gestimmt zu sein. Eine solche Konzessions-Entscheidung wäre laut Lehner aber „genauso schlimm wie das Doping-Vergehen an sich“.

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