„Kleine Großstadt“

Boston · Bei ihrem Ziel, die Sommerspiele 2024 auszurichten, haben sich die USA ein wenig überraschend für Boston entschieden. Die Bewerbung zielt auf kompakte Spiele ab und wirbt mit einem vorerst schlanken Budget.

Der kleinste Bewerber war der große Gewinner: Boston soll die Olympischen Sommerspiele nach 28 Jahren wieder in die USA holen. Das Nationale Olympische Komitee (USOC) ernannte in der Nacht zu Freitag ein wenig überraschend die Hauptstadt von Massachusetts zum amerikanischen Bewerber für die Sommerspiele 2024 - und somit zum Konkurrenten von Hamburg oder Berlin.

Boston setzte sich in der internen US-Auswahl gegen Washington, San Francisco sowie Los Angeles , den zweimaligen Gastgeber der Sommerspiele, durch. Bürgermeister Marty Walsh sprach von einer "außergewöhnlichen Ehre, als US-Repräsentant für die Sommerspiele 2024 ausgewählt worden zu sein". Einer der ersten Gratulanten war Barack Obama . "Meine Frau und ich unterstützen tatkräftig die Bemühungen, die Spiele 2024 in die USA zu holen. Wir hoffen, die Athleten der Welt 2024 in Boston begrüßen zu können", sagte der US-Präsident, der von 1988 bis 1990 an der Harvard Universität in Bostons Nachbarstadt Cambridge studiert hatte.

Die medialen Reaktionen auf die Entscheidung hätten gegensätzlicher kaum sein können. "Wie so viele andere, war USOC entzückt von Boston ", schrieb die Zeitung "Boston Globe". In Kalifornien indes fragte das Blatt "Los Angeles Times" "Wie zum Teufel verliert L.A. gegen Boston ?" und warf USOC vor, einen "Goldkandidaten" abgelehnt zu haben. "San Franciscos Olympia-Traum zerschmettert", hieß es in der Zeitung "San Francisco Chronicle". Einzelheiten über die Abstimmung der 15 USOC-Mitglieder wurden nicht bekannt. Man spüre, dass man mit Boston einen "unglaublich starken Partner" habe, ließ USOC-Präsident Larry Probst kurz wissen, ehe er sich auf den Weg nach Boston machte, wo in der Nacht zu Samstag Details der Bewerbung veröffentlicht werden sollen.

Boston hatte sich erstmals um die Olympia-Austragung beworben. Konkurrenz kommt auf jeden Fall aus Europa. Italien schickt Rom ins Rennen, der Deutsche Olympische Sport-Bund entscheidet am 21. März zwischen Hamburg und Berlin. Als weitere Interessenten gelten Paris sowie Städte aus Südafrika und Australien. Bis 15. September müssen alle Bewerber ihre Unterlagen beim Internationalen Olympischen Komitee einreichen. Die Entscheidung fällt 2017.

Boston passt mit seinen 600 000 Einwohnern nicht in eine Liga mit bisherigen Gastgebern wie Sydney, Peking oder London und gibt ein im Vergleich zu Peking 2008 (40 Milliarden Dollar ) oder Sotschi 2014 (50 Milliarden Dollar ) schlankes Budget von 4,5 Milliarden Dollar an. Man vertraut damit auf die Worte von IOC-Präsident Thomas Bach , der im Zuge seiner Agenda 2020 gefordert hatte, die Olympischen Spiele müssten wieder kostengünstiger und machbarer werden.

"Die Boston-Spiele können eine der innovativsten der Geschichte werden. Sie werden die nächste Generation hier und in der Welt inspirieren", sagte John Fish, Präsident der Kampagne Boston 2024. Die Organisatoren versprechen kompakte Spiele - keine Sportstätte soll weiter als ein Zehn-Minuten-Fußweg von öffentlichen Verkehrsmitteln entfernt sein. Boston ist Amerikas erfolgreichste Sportstadt des 21. Jahrhunderts und unter anderem Heimat des ältesten Städte-Marathons der Welt, bei dem 2013 ein Anschlag verübt wurde, der drei Todesopfer forderte. "Die Leute hier begeistern sich sehr für ihren Sport, vor allem für die vier Teams aus den großen Sportligen. Aber sie sind auch im Breitensport sehr aktiv. Ruderer, Segler oder Läufer gehören zum Stadtbild", sagte Dennis Seidenberg . Der Eishockey-Profi spielt seit 2010 für die Boston Bruins . Boston beschreibt der Nationalspieler als "kleine Großstadt".

Meinung:

Boston ist der Top-Favorit

Von SZ-RedakteurMark Weishaupt

Da haben die US-Amerikaner aber einen rausgehauen - Respekt. Jede Millionenstadt aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist alleine schon aus finanziellen und organisatorischen Gründen in der Lage, Olympische Spiele auszurichten. Deswegen gehören Bewerber aus den USA immer zum engeren Favoritenkreis. Bei Boston kommt noch ein weiterer, vermutlich entscheidender Faktor hinzu: die große Emotionalität einer sportverrückten Stadt, die sich auch von dem mörderischen Anschlag auf den ältesten Stadt-Marathon der Welt nicht hat unterkriegen lassen.

Für die deutsche Olympia-Bewerbung, sei es nun Hamburg oder Berlin, wird Konkurrent Boston ein bis zwei Nummern zu groß sein. Macht aber nichts - schließlich ist die Wahrscheinlichkeit, 2024 in Deutschland Olympische Spiele und eine Fußball-EM auszurichten, eh verschwindend gering. Es bleibt die deutsche Hoffnung auf 2028 - und die ist durch Boston ja nicht geringer geworden.

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