Kiwi hängt den Schläger an den Nagel

Hannover. An einem sonnigen Frühlingstag im April saß Nicolas Kiefer auf der Trainerbank der Hannoveraner AWD-Arena und sprach über sein gerade nächstes Comeback. Das Gespräch war schon fast beendet, als Kiefer einen Blick in das Fußballstadion warf und energisch verkündete: "Die Ziele gehen mir nicht aus

 Nicolas Kiefer bei einem seiner letzten großen Siege - dem Erfolg im Viertelfinale gegen den Franzosen Sebastien Grosjean bei den Australian Open 2006 in Melbourne. Foto: dpa

Nicolas Kiefer bei einem seiner letzten großen Siege - dem Erfolg im Viertelfinale gegen den Franzosen Sebastien Grosjean bei den Australian Open 2006 in Melbourne. Foto: dpa

Hannover. An einem sonnigen Frühlingstag im April saß Nicolas Kiefer auf der Trainerbank der Hannoveraner AWD-Arena und sprach über sein gerade nächstes Comeback. Das Gespräch war schon fast beendet, als Kiefer einen Blick in das Fußballstadion warf und energisch verkündete: "Die Ziele gehen mir nicht aus. Ich will unbedingt noch einmal bei den Olympischen Spielen 2012 in London antreten." Das hatte er unbedingt noch irgendwie loswerden wollen, bevor er sich in seinen Geländewagen setzte und davon brauste - zu seiner schwangeren Frau.

Damals war schon zu ahnen, dass es nichts mehr werden würde mit einer neuen wundersamen Rückkehr in den Wanderzirkus, mit dem werweißwievielten Comeback nach einer dieser lästigen Verletzungen und Erkrankungen. Nun, auf den letzten Drücker in diesem Jahr 2010, zieht Kiefer aus einer akuten oder doch schon etwas länger gewonnenen Einsicht die Konsequenzen: Wo nichts mehr zu gewinnen ist für den 33-jährigen Mann von Weltranglistenplatz 722, kann er es auch sein lassen im Profitennis und sich einem anderen Lebensabschnitt widmen. Einem Leben mit seiner Freundin Anna und dem am 11. August geborenen Töchterchen Mabelle Emilienne. Kurz und knapp und schließlich unsentimental lässt Kiefer den Vorhang fallen: "Es reicht." Er will lieber alle Zeit seiner Tochter widmen: "Ich will zusehen, wie sie aufwächst. Ich will nichts verpassen."

Kiefers beste und bessere Tage im Tourbetrieb liegen schon weit zurück. Bei einem Blick in sein Arbeitszeugnis stellen selbst altgediente Wegbegleiter mit Erstaunen fest, dass der 33-jährige sein letztes Turnier im Oktober 2000 in Hongkong gewann. In seinen späteren Tennisjahren kämpfte Kiefer genau wie sein Landsmann Tommy Haas mit immer neuen Verletzungen. Es folgte Comeback auf Comeback - und dann wieder ein Rückschlag. Selbst nach einer komplizierten Handgelenksblessur kämpfte sich der Niedersachse 2008 noch einmal zurück. Doch für einen ganz großen Coup konnte es nicht mehr reichen. "Ich weiß, dass ich viele Chancen liegen gelassen habe. Aber ich bin doch zufrieden mit dem, was ich erreicht habe", sagt Kiefer.

Viele Höhen und Tiefen

Kiefer hatte das Talent und das künstlerische Handwerkszeug, um sich als Erbe von Boris Becker und Michael Stich auf höchstem Niveau zu profilieren. Doch psychisch war der in Holzminden aufgewachsene Profi zu labil. Kiefer war oft ein Mysterium - für sich selbst, für seine Gegner, für die Öffentlichkeit. An guten Tagen bezwang er auch die Weltbesten mit einer so lässigen Selbstverständlichkeit, dass man glaubte, ein Grand-Slam-Erfolg sei bald die logische Konsequenz. Doch schon am nächsten Tag packte einen das Entsetzen, wenn Kiefer einem harmlosen Gegner den Sieg schenkte.

Am Ende seiner Karriere stehen sechs Turniersiege, Olympisches Silber im Doppel mit Rainer Schüttler in Athen 2004, ein Grand Slam-Halbfinale und als beste Weltranglisten-Notierung ein vierter Platz. Insgesamt gewann Kiefer knapp 7,5 Millionen US-Dollar an Preisgeldern. Durchaus respektabel.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort