Je oller, je doller Kicken in Kabul statt Rosen züchten

Köln · Für viele Trainer scheint es keine Altersgrenze zu geben. Heynckes, Pfister, Ferguson oder Gutendorf sind Beispiele.

Jupp Heynckes ist mit 72 Jahren zurück in der Bundesliga. Otto Pfister arbeitet mit fast 80 in Afghanistan. Selbst Rudi Gutendorf kann es mit 91 nicht ganz lassen: Fast scheint es, dass für Fußballtrainer die Zeit stillsteht. Rüstig ja, Rentner nein – für sein neuntes Lebensjahrzehnt hat Otto Pfister klare Vorstellungen. „Nur im Schaukelstuhl zu sitzen, befriedigt mich nicht“, sagte der Abenteurer unter Deutschlands Fußball-Trainern unlängst der Welt. Seinen 80. Geburtstag im November feiert Pfister als Nationaltrainer Afghanistans, zwischen Länderspielen gegen Vietnam und Kambodscha. Kicken in Kabul statt Rosenzucht in der Schweizer Wahlheimat: „Das ist nun mal mein Job.“

Pfisters Beispiel unterstreicht: Trainer, auch auf internationalem Niveau, ist längst ein Job für alle Altersklassen. Am Samstag kehrt Jupp Heynckes mit zarten 72 Jahren im ersten Spiel seiner vierten Bayern-Amtszeit in ein Geschäft zurück, dem zurzeit auch der nicht einmal halb so alte Julian Nagelsmann nachgeht – Trainer-Nestor und -Benjamin trennen 42 Jahre.

Dabei ist Heynckes im Vergleich zu Pfister geradezu ein Jungspund, letzterer hat wiederum noch längst nicht austrainiert angesichts der Laufbahn eines Rudi Gutendorf. Der Fußball-Weltenbummler schlechthin, mittlerweile 91, ist seit Saisonbeginn „Ehrentrainer“ der neu gegründeten dritten Mannschaft seines Heimatklubs TuS Koblenz, einem Flüchtlingsteam. „Ich wurde überall gut aufgenommen. In Ländern, die heute Flüchtlingsländer sind. Da wäre es eine Frechheit, wenn ich jetzt nicht helfen würde“, sagte Gutendorf, zuletzt 2003 als Nationaltrainer von Samoa im regulären Betrieb.

Indes, und das könnte Jupp Heynckes eine Warnung sein: Die bisherigen Bundesliga-Trainer im achten Lebensjahrzehnt waren statt Retter eher Ritter von trauriger Gestalt. Fred Schulz, mit 74 Altersrekordler, schrammte 1978 mit Werder Bremen knapp am Abstieg vorbei. Von der missglückten Hilfsmission des damals 73 Jahren alten Otto Rehhagel bei Hertha BSC blieben krude taktische Parolen („Attack, attack, go!“) hängen und seine (Zitat) „Halb angst“ beim Platzsturm im Düsseldorfer Relegationsspiel, das Hertha den Abstieg brachte.

Der Blick ins Ausland zeigt aber, dass sich auch im gesetzten Alter formidabel arbeiten lässt. Sir Alex Ferguson war knapp 72, als er sich 2013 nach seinem 13. Meistertitel und 27 Jahren ununterbrochener Amtszeit bei Manchester United verabschiedete. „Ich hätte weitergemacht, aber meine Frau hat sich einsam gefühlt“, sagte der Schotte, der – so ganz ohne geht es schließlich nicht – noch als Direktor und Botschafter im Klub blieb.

Luis Aragones, Spaniens graue Eminenz, führte Spanien 2008 kurz vor seinem 70. Geburtstag zum EM-Titel und hing dann bei Fenerbahce Istanbul noch ein Jahr dran. Giovanni Trapattoni, dessen große Tage bei Inter Mailand und Juventus Turin da schon lange zurücklagen, trainierte noch mit 74 Jahren Irlands Nationalteam. „Ich besitze immer noch den alten Hunger und den alten Enthusiasmus. Wenn ich verliere, schlafe ich die ganze Nacht nicht“, sagte Trap bei seiner letzten Vertragsverlängerung 2012.

Anderthalb Jahre später sah Irlands Verband nach verpasster WM-Qualifikation das Thema Trapattoni weniger sentimental und trennte sich vom Italiener. Der Mister ist seitdem zwangsweise verrentet, wartete dem Vernehmen nach vergeblich lange auf neue Angebote.

Ob Trapattoni vergangene Woche nach dem Ende der Münchner Ära Ancelotti sehnsuchtsvoll auf sein Telefon geblickt hat, ist nicht verbrieft – eine dritte Anstellung des nun 78-Jährigen als Bayern-Trainer stand jedenfalls nicht ernsthaft zur Debatte . . .

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