Keßler ist auf Schnupperkurs

Saarbrücken · Nadine Keßler hat im Fußball beinahe alles erreicht. Nur musste die Weltfußballerin früh ihre Karriere beenden. Jetzt plant die 28-Jährige ihr neues Leben. Was genau sie machen wird, ist aber noch offen.

 Weltfußballerin Nadine Keßler hospitierte gestern beim U14-Saarauswahltraining in Saarbrücken. Foto: Wieck

Weltfußballerin Nadine Keßler hospitierte gestern beim U14-Saarauswahltraining in Saarbrücken. Foto: Wieck

Foto: Wieck

"Distanz verringern, aber dann abwarten. Nicht direkt draufstürzen." Die Hinweise, die Nadine Keßler den Nachwuchsfußballerinnen der saarländischen U14-Auswahl im Zweikampftraining mit auf den Weg gibt, passen auch ausgezeichnet zum eigenen neuen Lebensabschnitt der ehemaligen Weltfußballerin. Nach 13 Operationen, die am Ende nur noch einen Totalschaden im Knie feststellen konnten, hat Keßler mit 27 Jahren ihre sportliche Karriere in diesem Frühjahr beenden müssen. "Es ist immer schlimm für einen Sportler, wenn man merkt, dass der eigene Körper nicht mehr mitspielt", sagt die Landstuhlerin, die noch immer für Reha-Maßnahmen zu Spezialisten nach München fährt. "Ich wünsche mir, dass ich irgendwann wieder schmerzfrei Sport treiben kann", sagt sie.

Mit 13 Jahren war Keßler zum 1. FC Saarbrücken gekommen, mit 16 bestritt sie ihr erstes Länderspiel. Gewohnt hat sie zeitweise an der Hermann-Neuberger-Sportschule. "Mein Zimmer ist da drüben, mit Blick auf den Kunstrasen", sagt die heute 28-Jährige: "Ich weiß nicht, wie viele Trainingsstunden ich hier verbracht habe. Aber: Der Olympiastützpunkt ist eine hervorragende Ausgangsbasis für eine Sportlerkarriere."

Champions-League-Sieg, DFB-Pokal-Triumph, deutsche Meisterschaft - Erfolge einer Spielerin, "die es so im Weltfußball nicht ein zweites Mal gibt", wie Landestrainerin Margret Kratz erklärt: "Nadine war eine der wenigen defensiven Mittelfeldspielerinnen mit enormem Zug zum gegnerischen Strafraum und enormer Torgefahr." Für Keßler selbst war der Gewinn der Europameisterschaft mit der Nationalmannschaft mehr wert als die Auszeichnung zur Weltfußballerin neben einem gewissen Cristiano Ronaldo . "Ich wollte immer für Deutschland was erreichen, der Traum hat sich erfüllt", blickt Keßler zurück, "diese große Bühne mit Ronaldo habe ich eigentlich gar nicht richtig verstanden. Warum wird eine einzelne geehrt, woran ein ganzes Team Anteil hat? Und ganz ehrlich: Ich brauche dieses öffentliche Leben nicht."

Keßler hat dem Fußball einen großen Teil ihrer Kindheit und Jugend geopfert. "Ich würde es noch einmal genau so machen, weil meine sportlichen Entscheidungen fast immer richtig waren", sagt sie, "jetzt habe ich die Gelegenheit, Freunde zu besuchen, zu reisen. Einfach ein paar Sachen nachholen."

Der frühe Abschied von der Fußball-Bühne tut ihr dennoch merklich weh, auch wenn er kein Sturz ins Bodenlose bedeutet. "Ich versuche, überall mal reinzuschnuppern", sagt sie. Wie gestern beim Auswahltraining in Saarbrücken . "Ich treibe den Erwerb meiner Trainerscheine voran, mache meinen Master im Bereich General Management. Bin für den Sponsor unterwegs. Und ich war als Botschafterin der Uefa bei der Europameisterschaft."

Dort war sie mit Nationalspielerin Dzsenifer Marozsan, einer Freundin aus gemeinsamen FCS-Tagen, auch als Expertin im Fernsehen unterwegs, spielte kompetent und charmant alte Hasen wie Oliver Kahn an die Wand. "Es hat mir Spaß gemacht. Ich musste ja schon als Aktive auf meiner Position das Spiel überblicken und Situationen einschätzen."

Nadine Keßler verkürzt derzeit also den Abstand zu verschiedensten Optionen in ihrem neuen Leben, stürzt dabei aber nicht auf die erstbeste Chance. "Man muss bereit sein, mehr zu geben als andere. Wenn du den unbedingten Willen hast, dann kannst du es auch weit schaffen", rät sie auch den saarländischen Talenten: "Ich muss für mich entscheiden, wo meine Stärken liegen für das nächste Leben. Aber ich habe keine Angst vor dem, was kommt."

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