Keine Angst vor Briggs

Hamburg. Vitali Klitschko ist ein durchaus humorvoller Mensch, aber gerade hat er keinen Spaß. Gerade arbeitet seine Kiefermuskulatur ganz gewaltig, und es kostet Klitschko sichtlich Mühe, ruhig zu bleiben. Er darf nicht zuschlagen. Noch nicht. Das ist erst am Samstag erlaubt. Im Ring

Hamburg. Vitali Klitschko ist ein durchaus humorvoller Mensch, aber gerade hat er keinen Spaß. Gerade arbeitet seine Kiefermuskulatur ganz gewaltig, und es kostet Klitschko sichtlich Mühe, ruhig zu bleiben. Er darf nicht zuschlagen. Noch nicht. Das ist erst am Samstag erlaubt. Im Ring. Wenn der Amerikaner Shannon Briggs in der Hamburger O2-World versucht, dem Weltmeister aus der Ukraine seinen Titel wegzunehmen.

Gerade versucht Briggs, Klitschko die Show zu stehlen. Der gewaltige Mann mit den blondierten Rastalocken nutzte dazu jeden öffentlichen Termin, der sich in der Woche vor dem Kampf bot. Er fluchte, schwadronierte, und riss sich immer wieder das T-Shirt vom Leib, um seinen strammen Oberkörper zu präsentieren.

Dass ein Klitschko-Gegner in diesen Tagen nicht nur die Aufgabe hat, sich im Ring einem der Hünen zu stellen, versteht sich von selbst. Ein Klitschko-Gegner muss auch - und wohl vor allem - vor dem Kampf schillern. Er muss polarisieren, Interesse schüren, den Kartenverkauf ankurbeln. Darin ist Shannon Briggs der Beste, den die Klitschkos seit langem hatten. Beinahe so gut wie der Brite David Haye, der bislang immer nur ein Fast-Gegner der Klitschkos war, weil er jedes Mal rechtzeitig den Kopf einzog und dem Duell im Ring aus dem Weg ging.

Der Asthmatiker Shannon Briggs betont beharrlich, dass er Vitali Klitschko besiegen werde. "Ihr werdet noch merken, dass ich die falsche Wahl war", ruft er Klitschko und dessen Manager Bernd Bönte zu, "ich werde euch in den Hintern treten". Tatsächlich spricht nicht viel dafür, dass Briggs dem Titelverteidiger auch im Ring die Show stehlen könnte. Was er abwertend als den "Tintenfisch-Stil" des Vitali Klitschko bezeichnet, hat der Ukrainer zu einer überaus effizienten Waffe perfektioniert. Mit hängenden, schlenkernden Armen steht er da und malträtiert seine Gegner aus der Rückwärtsbewegung mit Schlägen aus der Hüfte.

Für den älteren der Klitschko-Brüder ist das Duell am Samstag der zweite Kampf in diesem Jahr. Wladimir, der jüngere Klitschko, hat gerade den Gegner für seinen dritten Kampf im Jahr 2010 bekannt gegeben: Am 11. Dezember wird er in Mannheim auf den Briten Dereck Chisora treffen. Damit wird der Gegner auch im fünften Klitschko-Kampf 2010 nicht namhafter sein als all die anderen, die sich zuletzt von den Ukrainern verhauen ließen. Ausverkauft wird die Arena wohl trotzdem sein, in Hamburg ist sie es bereits.

Shannon Briggs, fast 39 Jahre, war auch mal Weltmeister. Beim ersten Versuch, den Thron zu besteigen, scheiterte er im März 1998 an Lennox Lewis. Doch im November 2006 landete er in der zwölften Runde einen ziemlich glücklichen und ebenso heftigen Schlag am Kopf von Sergeij Liakowitsch und verwandelte eine fast schon sichere Punktniederlage in einen K.o.-Sieg. Sieben Monate später verlor er den Gürtel an Sultan Ibragimow. Erst im Dezember 2009 stieg Briggs wieder in den Ring, in diesem Jahr feierte er bislang drei Erstrundensiege.

Vitali Klitschko, der, als Briggs seinen lärmenden Auftritt endlich beendet hat, seinen Humor wiederfindet, sagt ironisch: "Ich war schockiert, als ich zum ersten Mal seine dicken Muskeln sah, ich hatte schlaflose Nächte." Dass Briggs 31 Erstrunden-Knockouts vorweisen kann, lässt Klitschko kalt. Ob er deshalb zu Beginn des Kampfes weglaufen werde? "Nein", sagt der Familienvater und zeigt auf Briggs. "Der muss weglaufen." Botschaft angekommen.

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