"Kein Talent muss aus dem Saarland raus"

Herr Schwarzer, beim Victor's Cup in Merzig stehen mit Yves Kunkel und Tim Suton zwei Saarländer im Kader der deutschen A-Jugend-Nationalmannschaft, mit Peter Walz und Tim Burkholder zwei weitere auf Abruf. Was hat sich in der Jugendarbeit im Saarland in den vergangenen Jahren verändert?Christian Schwarzer: Ich kann das nur beurteilen für die Zeit, seit ich da bin

 Yves Kunkel hat wie Nationalmannschafts-Kollege Suton, Spielrechte für Saarlouis und die A-Jugend der HSG Völklingen.

Yves Kunkel hat wie Nationalmannschafts-Kollege Suton, Spielrechte für Saarlouis und die A-Jugend der HSG Völklingen.

Herr Schwarzer, beim Victor's Cup in Merzig stehen mit Yves Kunkel und Tim Suton zwei Saarländer im Kader der deutschen A-Jugend-Nationalmannschaft, mit Peter Walz und Tim Burkholder zwei weitere auf Abruf. Was hat sich in der Jugendarbeit im Saarland in den vergangenen Jahren verändert?

Christian Schwarzer: Ich kann das nur beurteilen für die Zeit, seit ich da bin. In meiner aktiven Zeit hatte ich mich nicht so intensiv mit der Jugendarbeit im Saarland beschäftigt. Der aktuelle Erfolg ist ein Zusammenspiel aus Verband, Vereinen und dem Rotenbühl-Gymnasium. Dass zum ersten Mal überhaupt zwei Saarländer, mit Yves ein waschechter und mit Tim ein zugereister, in Merzig für die Nationalmannschaft spielen, ist eine ganz besondere Sache.

Worauf ist das zurückzuführen?

Schwarzer: Fast alle Kaderathleten, bis auf Tim Burkholder, gehen am Rotenbühl zur Schule. Wir können dort in vier zusätzlichen Einheiten pro Woche mit den Talenten individuell arbeiten. Das ist ein Luxus, den es vorher nicht gab und der sich hier auszahlt.

Was entgegnen Sie Stimmen, die behaupten, durch Ihre Person werde es für saarländische Talente leichter, in die Nationalmannschaft zu kommen?

Schwarzer: Ich bin weder im Handballverband Saar, noch im Deutschen Handball-Bund allein verantwortlich für die Sichtung und Zusammenstellung der Kader. Gerade im DHB nominieren Trainer wie Christof Armbruster oder Klaus-Dieter Petersen beispielsweise einen Yves Kunkel nicht wegen mir, sondern wegen seiner Leistung. Das hat nichts mit meiner Person zu tun. Die Jungs profitieren aber von der guten Zusammenarbeit mit dem HVS, mit Landestrainer Dirk Mathis und mit Oskar Dawo, weil wir alle in die gleiche Richtung gehen.

Wann beurteilen Sie eine Ausbildung als erfolgreich?

Schwarzer: Unser oberstes Ziel ist es, die Talente noch besser individuell auszubilden. Deswegen plant der DHB auch, sein Fördersystem umzustellen. Nicht mehr der Mannschafts-Erfolg von Landesauswahlen soll belohnt werden, sondern die Anzahl der Kaderathleten. Die Erstligisten in Deutschland sollen nicht mehr an deutschen Talenten vorbeikommen.

Welche Chance bietet die aktuell so erfolgreiche Jugendarbeit dem Handball im Saarland?

Schwarzer: Ich denke, mit der HG Saarlouis in der 2. Bundesliga, dem SV 64 Zweibrücken in der 3. Liga und einigen RPS-Oberligisten sind wir gut aufgestellt. Die Spielmöglichkeiten sind also da, um die Toptalente in den aktiven Bereich zu integrieren. Kein Talent muss aus dem Saarland raus. Es sei denn, der Sprung in die 1. Liga steht an, wie bei Daniel Fontaine im letzten Sommer. Da muss man halt gehen.

Welche Rolle spielt die im Jahr 2011 eingeführte A-Jugend-Bundesliga, in der die HSG Völklingen seither vertreten ist, für die Ausbildung der Spieler?

Schwarzer: Die A-Jugend-Bundesliga ist super - vor allem für die Spieler des jüngeren Jahrgangs und des älteren B-Jugend-Jahrgangs. Die Toptalente aus dem älteren A-Jugend-Jahrgang haben in dieser Liga aber nichts mehr zu suchen. Sie sind dort unterfordert und sollen sich stattdessen in der 3. Liga oder noch besser in der 2. Liga der Männer durchsetzen. Ein gutes Beispiel ist Tim Suton, der in dieser Saison noch gar nicht von seinem Zweitspielrecht für Völklingen Gebrauch gemacht hat, weil er sich bei der HG Saarlouis in der 2. Bundesliga so viel Einsatzzeit erarbeitet hat und aus Gründen der Regeneration nicht doppelt spielen soll.

Wie sehen Sie im Vergleich dazu die Entwicklung von Yves Kunkel, der alle Spiele für die A-Jugend der HSG Völklingen gemacht hat und in Saarlouis noch nicht so zum Zug kam?

Schwarzer: Natürlich war die erste Saisonhälfte für Yves in Saarlouis nicht befriedigend, weil er teilweise noch nicht einmal auf dem Spielberichtsbogen stand. Er kämpft um seine Chance und sieht auch, dass er da mithalten kann. Am letzten Samstag in Friesenheim hat er - auch wegen der Verletzung von Philipp Kessler - viel Spielzeit bekommen und hinterher auch ein Lob seines Trainers. Ich hoffe, dass er jetzt seine Einsatzzeiten bekommt und dass die Situation vorher keine Auswirkung auf seine Zukunftspläne hat. Es wäre ein Armutszeugnis, wenn ein Saarländer, einer wie Yves, das Saarland verlassen würde, obwohl wir hier alle Möglichkeiten haben.

Ein anderer in Ihrem erweiterten Kader ist Peter Walz. Er spielt nur in Völklingen, in der A-Jugend und der Herrenmannschaft in der RPS-Oberliga. Wie passt das zu Ihren Vorstellungen?

Schwarzer: Wenn ich sehe, dass Peter in einem RPS-Oberliga-Spiel zehn Tore wirft, weiß ich, dass er dort unterfordert ist. Er hat in seiner Entwicklung ein Jahr verschenkt. Der SV 64 Zweibrücken hätte ihn für die 3. Liga sicher mit Kusshand genommen. Aber das ist das Problem hier im Saarland, dass kein Verein mit einem anderen kooperieren möchte. Jeder hat nur seinen eigenen Erfolg im Blick und nicht die Interessen des Talents. Peter muss jetzt für sich entscheiden, wie es weitergeht, aber es kann sicher nicht sein Anspruch sein, weiter in der RPS-Oberliga zu spielen.

Die HSG Völklingen ist souveräner Tabellenführer in der A-Jugend-Bundesliga West und wird sich aller Voraussicht nach für das Viertelfinale um die deutsche Meisterschaft qualifizieren. Haben Sie kein Verständnis für den Wunsch nach Erfolg?

Schwarzer: Natürlich. Ich kann den Verein verstehen, er hat eine historische Chance. Und natürlich ist es einfach für mich, aus einer unabhängigen Position heraus zu urteilen. Aber ich stelle nur die Ausbildung der Jungs in den Vordergrund und stelle die Frage: Was ist nachhaltiger? Ein sportliches Ergebnis, vielleicht sogar die deutsche Meisterschaft, mit einer A-Jugend, oder die Tatsache, dass einer wie Yves Kunkel A-Nationalspieler werden kann.

Was wäre denn Ihre Wunschvorstellung?

Schwarzer: Ich kann den Vereinen nicht reinfunken, ich kann nur den Talenten Ratschläge geben. Natürlich würde ich mir wünschen, Spieler wie Peter Walz, Tim Burkholder, Yves Kunkel oder Lucian Scheid in einer saarländischen Mannschaft möglichst hochklassig zu sehen. Zumindest solange sie dort gefordert werden. Und unabhängig davon, welcher Verein das ist. Das wäre ein Erfolg, den sich das gesamte Land und jeder in der Ausbildung beteiligte Verein auf die Fahne schreiben könnte.

Mit welcher Erwartung gehen Sie mit der deutschen A-Jugend-Nationalmannschaft kommende Woche in den Victor's Cup?

Schwarzer: Wir wollen uns weiterentwickeln. Wir haben, auch wegen Verletzungsproblemen, fünf, sechs Spieler dabei, die ihr erstes Länderspiel machen werden. Und das ist immer etwas anderes als Training. Wer kommt zurecht, wer nicht? Ich freue mich darauf zu sehen, wie sich die Jungs schlagen mit dem Adler auf der Brust. Und ich persönlich freue mich auf die tolle Atmosphäre in Merzig.

Yves Kunkel und Tim Suton haben mit der HG Saarlouis am 27. Dezember, also dem ersten Tag des Turniers, ein Auswärtsspiel in Aue. Wie ist das geregelt?

Schwarzer: Beide werden in Aue dabei sein, weil es genau das ist, was ich möchte. Ich hätte nur ein Problem damit, auf sie zu verzichten, wenn sie in Aue 60 Minuten auf der Bank sitzen. Sie kommen dann am 28. Dezember zurück und werden, je nach Verfassung, am Abend oder dann am 29. Dezember in Merzig spielen.

Auch wenn Sie in Merzig nicht für sie verantwortlich sein werden: Was erwarten Sie von der Saarauswahl?

Schwarzer: Die Jungs haben ja letztes Jahr schon sensationell gespielt. Wir haben uns in diesem Jahr entschieden, den 93er Jahrgang, den nur das Saar-Team einsetzen darf, bis auf einen komplett rauszulassen, damit die Jüngeren reinschnuppern und lernen können. Wie Jerome Müller, Michael Schulz oder Björn Zintel, die alle noch B-Jugendliche sind.

Hätte die Saarauswahl Ihrer Ansicht nach eine Siegchance, wenn alle - also auch Kunkel, Suton und die angeschlagenen und verletzten Tim Burkholder und Lucian Scheid - dabei wären?

Schwarzer: Wenn alle dabei wären, hätten die Jungs sicher die Möglichkeit, ins große Halbfinale zu kommen. Aber diese Frage ist mir und unserem Landestrainer Dirk Mathis nicht wichtig. Es geht uns nicht um das Mannschaftsergebnis. Es geht uns einzig und allein um die Entwicklung der Spieler.

auf einen Blick

Spielplan des Handball-Topturniers für A-Jugend-Nationalmannschaften in der Thielsparkhalle in Merzig:

27. Dezember: 16 Uhr: Schweiz - HV Saar; 17.05 Uhr: Island - Finnland; 18.15 Uhr: Dänemark - Weißrussland; 19.15 Uhr: Deutschland - Polen.

28. Dezember: 10.30 Uhr: Schweiz - Weißrussland; 11.40 Uhr: Dänemark - HV Saar; 12.50 Uhr: Island - Polen; 14 Uhr: Deutschland - Finnland; 15.10 Uhr: Weißrussland - HV Saar; 16.20 Uhr: Dänemark - Schweiz; 17.30 Uhr: Deutschland - Island; 18.40 Uhr: Polen - Finnland.

 Tim Suton ist Jahrgang 1996, eigentlich noch B-Jugendlicher, spielt aber schon für die HG Saarlouis in der 2. Bundesliga.

Tim Suton ist Jahrgang 1996, eigentlich noch B-Jugendlicher, spielt aber schon für die HG Saarlouis in der 2. Bundesliga.

 Peter Walz von der HSG Völklingen war im vergangenen Jahr bester Spieler des Topturniers in Merzig. Fotos: Wieck (2)/Eibner

Peter Walz von der HSG Völklingen war im vergangenen Jahr bester Spieler des Topturniers in Merzig. Fotos: Wieck (2)/Eibner

29. Dezember: kleines Halbfinale ab 9.30 Uhr; großes Halbfinale ab 12.30 Uhr; ab 15.30 Uhr: Platzierungsspiele; 18.30 Uhr: Spiel um Platz drei; 20 Uhr: Finale. red

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