Kein Glaube an die Wende

Hamburg · Nach der Entlassung von Thorsten Fink wird beim HSV unter Hochdruck nach einem neuen Trainer gefahndet. Bis eine Entscheidung gefällt ist, übernehmen die Ex-Profis Rodolfo Esteban Cardoso und Otto Addo.

Als Thorsten Fink gestern Morgen seine letzten Worte an die Mannschaft richtete und kurz danach tief enttäuscht vom Vereinsgelände des Hamburger SV düste, diskutierten die HSV-Bosse in den Büroräumen der Arena schon heftig über seinen Nachfolger. Nach 700 Tagen Amtszeit wurde Fink die sportliche Talfahrt der letzten Wochen zum Verhängnis - und der nächste Höhepunkt der Hamburger Chaos-Wochen war erreicht.

Bis der neue starke Mann gefunden ist, übernehmen vorübergehend die Ex-Profis Rodolfo Esteban Cardoso und Otto Addo den Trainerposten. "Wir suchen mit Nachdruck nach einem Nachfolger für Thorsten. Wann wir ihn präsentieren können, kann ich noch nicht sagen. Es kann schnell gehen, es kann aber auch ein paar Tage dauern", sagte Sportdirektor Oliver Kreuzer. Mögliche Kandidaten wie den Ex-HSV-Profi Markus Babbel, den früheren St.-Pauli-Trainer Holger Stanislawski oder den vor kurzem in Kaiserslautern entlassenen Franco Foda wollte der Manager zwar nicht kommentieren - doch das Anforderungsprofil ist klar: "Er muss gut sein, günstig und möglichst alle Spiele gewinnen", sagte Kreuzer.

Genau das hatte Fink zuletzt nicht mehr geschafft. Nach exakt 23 Monaten wurde ihm der miserable Saisonstart mit nur vier Punkten aus fünf Spielen, 15 Gegentreffern und den beiden Klatschen bei Borussia Dortmund (2:6) und gegen 1899 Hoffenheim (1:5) zum Verhängnis. "Wir hatten nicht das Vertrauen, dass er mit der Mannschaft die Wende schafft", sagte Kreuzer.

Keine Philosophie, keine Konstanz, kein System: Nach den teilweise unterirdischen Auftritten der Hamburger sahen die HSV-Bosse keinen anderen Ausweg mehr, als die Reißleine zu ziehen. "Wir haben die Entscheidung einstimmig getroffen, sie war nicht von langer Hand geplant", sagte Vorstandsboss Carl Jarchow.

Kreuzer bezeichnete die letzten Entscheidungen seines früheren Kumpels vom FC Bayern als "unglücklich". Mit der Reise zu seiner Familie nach München, anstatt das Auslaufen der Mannschaft zu betreuen, hatte Fink am Wochenende endgültig den Unmut auf sich gezogen. Diesen Fehler räumte Fink auch gleich ein: "Ich hätte später fliegen sollen, das kann man schon sagen."

Die Spieler reagierten schockiert auf die Entlassung. "Ich verstehe den Zeitpunkt nicht so ganz", sagte Spielmacher Rafael van der Vaart. Und: "Wir haben als Mannschaft eine große Teilschuld an der Misere. Unsere zahlreichen Klatschen in der jüngsten Vergangenheit haben den Trainer den Job gekostet." Kreuzer rüffelte seinen Kapitän für dessen ungewöhnliche Offenheit. "Das steht ihm eigentlich nicht zu", sagte der Manager, "er soll sich auf seine Leistung konzentrieren."

Der Manager, der erst im Sommer in die Hansestadt gewechselt war, kann zusätzliche Störfeuer jetzt nicht gebrauchen. Er muss mit Hochdruck an einer langfristigen Lösung auf der HSV-Trainerbank fahnden. Kreuzer weiß: Der nächste Schuss muss sitzen, um das angestrebte Ziel Europa League noch realisieren zu können. Und um nicht selbst ins Fadenkreuz der Kritik zu geraten.

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