Karriere im Schnelldurchgang

Hannover. Das "Side" gehört zu den angesagtesten Hotels Hamburgs. Wer dort logiert, hält etwas auf sich oder hat es zu etwas gebracht. Insofern ist das "Side" für die deutschen Fußball-Nationalspieler genau richtig, um sich auf die Testspiele gegen die Ukraine am Freitag (20.45 Uhr/ARD) und die Niederlande am Dienstag (20.45 Uhr/ZDF) vorzubereiten

Hannover. Das "Side" gehört zu den angesagtesten Hotels Hamburgs. Wer dort logiert, hält etwas auf sich oder hat es zu etwas gebracht. Insofern ist das "Side" für die deutschen Fußball-Nationalspieler genau richtig, um sich auf die Testspiele gegen die Ukraine am Freitag (20.45 Uhr/ARD) und die Niederlande am Dienstag (20.45 Uhr/ZDF) vorzubereiten. Dafür hat Joachim Löw personelle und taktische Experimente angekündigt. Der Bundestrainer hat Ron-Robert Zieler für Freitag das Debüt versprochen. Für Jörg Sievers, Torwarttrainer bei Hannover 96, macht er damit nichts falsch: "Ron-Robert ist sehr breit aufgestellt. Er ist stark auf der Linie und im Eins-gegen-Eins, ist fußballtechnisch gut und spielt hervorragend mit. In allen Segmenten sind nur Kleinigkeiten zu verbessern. Was ihm am meisten fehlt, ist Erfahrung."

Die Leistungen schwanken

Das erklärt wohl die Schwankungen, denen der 22-Jährige gerade unterliegt. In der Europa League und der Bundesliga sah das bei Manchester United geformte Talent nicht gut aus. Sein 96-Trainer Mirko Slomka tadelte Zieler als unentschlossen und unsicher. Er hofft, dass der Aufenthalt bei der Nationalelf als Therapiezentrum dient. Der Torwart mit erst 27 Bundesliga-Einsätzen sieht es genauso: "Vom Kopf her ist es ganz gut, nach den vielen 96-Spielen mal was anderes zu sehen."

Obwohl Zieler wie der mit ihm um den Platz hinter Manuel Neuer rangelnde Tim Wiese Rheinländer ist, kommt er anders rüber, als dieser: Zieler taugt nicht als Selbstdarsteller ("Meine Aufgabe ist es, Bälle zu halten"). Er ist kein Obermacher ("Man muss nicht ein Schwein sein, um sich durchzusetzen"). Gelassenheit und Besonnenheit prägen ihn. "Seine Entwicklung ist erstaunlich", lobt Sievers: "Potenzial und Talent waren früh zu erkennen, aber er hat im Schnelldurchgang Karriere gemacht." In elf Monaten von der Nummer drei im Club zur Nummer drei Deutschlands. Sollte der bis 2015 an 96 gebundene Zieler zur Europameisterschaft 2012 fahren, "kommt das für ihn nicht zu früh", glaubt Sievers.

Zielers steht für eine Torwart-Generation, zu der die bei der U21 weilenden Marc-André ter Stegen, Oliver Baumann und Kevin Trapp zählen. Bundestorwarttrainer Andreas Köpke preist die Dichte an begabten wie selbstbewussten Ballfängern: "Die Jungs kommen gar nicht erst ins Grübeln." Das ist deshalb eine wichtige Aussage, weil Zielers Hannover gegenteilige Belege geführt hat. Der Suizid von Robert Enke, der an Depressionen litt, jährt sich morgen das zweite Mal.

Tragödie um Robert Enke

Enkes selbst auferlegter Druck, die Nummer eins in der Nationalelf werden zu wollen, hat zur Tragödie beigetragen. Er war nicht für das dann wegen seines Todes abgesagte Spiel am 14. November 2009 gegen Chile nominiert worden. Sievers kann mittlerweile über die Thematik reden. "Robert Enke hat dazu beigetragen, dass die Hemmschwelle, eine solche Erkrankung öffentlich zu machen, gesunken ist. Das Problem wird nicht mehr totgeschwiegen, deshalb hat sich auch Markus Miller öffnen können." Zielers Stellvertreter hat sich zu mentaler Erschöpfung bekannt, ist in Behandlung. Florian Fromlowitz, Zielers Vorgänger, konnte sich nie vom Enke-Erbe freimachen, wie Sievers erklärt: "Für ihn war es eine harte Geschichte, weil er sich mit Robert gut verstanden hatte, jeden Tag mit ihm trainiert hatte - und so nie ins Tor kommen wollte." Sievers ergänzt: "Das Gute ist: Ron-Robert hat mit der ganzen Geschichte nichts zu tun."

Marco Reus (Grippe) und Miroslav Klose (Knieprobleme) fehlen im Spiel in der Ukraine. Ob sie gegen die Niederlande auflaufen können, ist offen.

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