Turnen Die Kampfrichterin ist schon im Final-Modus
Ormesheim · Judith Matzke aus Ormesheim vertritt die TG Saar am Samstag im Gold-Finale gegen die KTV Straubenhardt am Wertungstisch.
„In Berlin habe ich im Fanblock applaudiert. In den entscheidenden Reck-Duellen bin ich aber rausgegangen. Ich habe die Spannung nicht mehr ertragen“, erinnert sich Judith Matzke an den Titelgewinn der TG Saar im Jahr 2012 und schmunzelt. Wenn die Jungs von Turner-Trainer Eugen Spiridonov an diesem Samstag gegen die KTV Straubenhardt um die deutsche Mannschafts-Meisterschaft turnen, würde die 55-Jährige aus Ormesheim am liebsten wieder wegschauen. Doch das geht im Gold-Finale der Erzrivalen in der Deutschen Turnliga (DTL) diesmal nicht.
„Als Kampfrichterin muss ich alles im Auge haben. Aber ich habe ja viel zu tun, dann klappt das schon“, sagt Matzke und freut sich auf den wichtigen Job in einer reinen Männer-Runde. Neben dem Oberkampfrichter sind in der Ludwigsburger MHP-Arena vier weitere Unparteiische im Einsatz, die sich um Abzüge bei Haltungs- und Technik-Fehlern kümmern. „Ich bin für die D-Note zuständig – wie der Kollege aus Straubenhardt. Wir ermitteln die Ausgangswerte, und schauen, ob in den Übungen alle Schwierigkeiten drin waren“, beschreibt Matzke die knifflige Mission.
Anhand der addierten Ausgangswerte könnte man rein theoretisch schon vor dem ersten Salto das Sieger-Team ermitteln. Dabei müssten beide Riegen aber optimal turnen, an allen sechs Geräten. Und das gibt es im Turnen nicht. Dennoch: „Sollte im Endkampf kein einziger Fehler passieren, würde Straubenhardt hauchdünn vorne liegen“, sagt Matzke, stellt aber klar: „Die Teams liegen sehr eng zusammen. Ein Ausfallschritt beim Abgang mit Zehntel-Abzug kann über Sieg und Niederlage entscheiden. Tagesform und Nerven sind wichtig.“
Extrem nervenstark präsentierte sich ihre Mannschaft vor einer Woche beim Bundesliga-Duell in Straubenhardt. Erst im letzten Reck-Duell machte Felix Remuta das im Turnen seltene Remis (34:34) perfekt – und sicherte so den Final-Einzug der TG Saar. Matzke saß im Kampfgericht und fieberte mit. „Die Generalprobe glückte, aber so spannend muss das am Samstag nicht sein“, findet die Erzieherin in der Kindertagesstätte Ensheim und lacht.
Als Kampfrichterin im Männer-Turnen ihre „Frau“ zu stehen, hat die Leiterin der Turntalentschule an der Hermann-Neuberger-Sportschule in etlichen Praxis-Jahren gelernt. Seit 2001 ist die A-Schein-Inhaberin auf Bundesebene und international aktiv und vergibt Noten – bei deutschen Meisterschaften und Qualifikationsturnieren für EM und WM. Als einzige Frau bestand sie 2012 die Prüfung zur internationalen Kampfrichterin und war bei Länderkämpfen im Einsatz. Fachlich bewertete sie die Leistungen von Turn-Stars wie Fabian Hambüchen oder Marcel Nguyen – oder die der TG-Athleten Philipp und Tobias Matzke, ihren beiden Söhnen.
„Bei meinen Jungs musste ich ja auch neutral sein und hoffen, dass ich nicht schuld am verpassten Finale war“, erzählt die Mama mit einem Grinsen. Die Matzke-Brüder kommen im DTL-Finale nicht zum Einsatz. Dafür starten mit Dreifach-Weltmeister Nikita Nagornyy, Nationalturner Lukas Dauser und Barren-Olympiasieger Oleg Wernjajew drei Weltklasse-Athleten für die TG Saar. Letzterer zeigte bei der Heimniederlage gegen Wetzgau (30:44) ungewohnte Schwächen. Und Judith Matzke verstand die Welt nicht mehr: „Oleg war völlig von der Rolle. Diesmal passiert ihm das nicht. Er will es besser machen und deutscher Meister werden.“
Aber was muss passieren, damit die TG Saar am Ende vorne liegt? Ein Remis wie beim letzten Aufeinandertreffen reicht im Finale nicht. Der Einstieg in den Wettkampf sei entscheidend. Stürze, wie zuletzt häufig gesehen, müssten vermieden werden, betont Matzke: „Wenn unsere Jungs die ersten zwei Geräte unfallfrei turnen und Druck aufbauen, stehen die Chancen gut.“ Sie selbst wird am Kampfrichter-Tisch schwitzen und versuchen, den Oberkampfrichter von ihrer Meinung zu überzeugen. Gleiches versucht auch der KTV-Kollege. „Ich werde für mein Team kämpfen und besonders genau hinschauen“, verspricht Matzke, sich bei ihrer Kampfrichter-Premiere in einem DTL-Finale voll reinzuknien. Viel wichtiger sei aber, was an den Geräten passiert: „Es wird verdammt eng, aber ich vertraue meinem Bauchgefühl. Wir gewinnen das Ding.“