Kampf um die Glaubwürdigkeit

Erfurt · Reinhard Grindel steht beim 42. Bundestag in Erfurt vor der Wiederwahl, doch eine Grundreinigung beim Deutschen Fußball-Bund löst nicht alle Grundsatzprobleme. Immerhin sind einige Baustellen schon geschlossen.

 Reinhard Grindel hat vor dem DFB-Bundestag in Erfurt wichtige Zukunftsfragen geklärt – unter anderem wurde der Vertrag mit Bundestrainer Joachim Löw bis 2020 verlängert. Foto: Dedert/dpa

Reinhard Grindel hat vor dem DFB-Bundestag in Erfurt wichtige Zukunftsfragen geklärt – unter anderem wurde der Vertrag mit Bundestrainer Joachim Löw bis 2020 verlängert. Foto: Dedert/dpa

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Erst kürzlich hat Reinhard Grindel selbst zum Telefonhörer gegriffen. In der "Mainzer Allgemeinen Zeitung" hatte der DFB-Präsident einen Artikel gelesen, in dem sich Joachim Mayer, der Vorsitzende des Oberligisten SV Gonsenheim, bitterlich beklagte. Über die erdrückende Übermacht der Profis, die mit ihren Sonntagsspielen den Amateuren die Zuschauer wegnähmen. Und mit dem neuen Fernsehvertrag für die Bundesliga werde ab 2017 alles nur schlimmer. Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) überzeugte den Klageführer nicht nur mit einem überraschenden Anruf, sondern auch mit eigenen Nachforschungen.

Was das Oberhaupt im Vorfeld des 42. Ordentlichen DFB-Bundestags in Erfurt damit demonstrierte: Für einen, der vor nicht allzu langer Zeit selbst bei einem Verein wie dem Rotenburger SV in seiner norddeutschen Heimat in der Vorstandschaft mitgearbeitet hat, sind die Probleme an der Basis des deutschen Fußballs nicht fremd. Eine Vereinigung von rund sieben Millionen Mitgliedern kämpft nach innen wie außen um ihre Glaubwürdigkeit.

Bundeskanzlerin Angela Merkel schlägt sich in schwierigen politischen Zeiten ein Zeitfenster frei, um am heutigen Donnerstag beim Festakt im Theater der Landeshauptstadt Thüringens die Laudatio auf einen neuen Ehrenspielführer zu halten. Grindel gefällt diese Aufwartung; der CDU-Politiker hat sich mitten in einer globalen Vertrauenskrise der Sportfunktionäre an die Spitze der größten Organisation hieven lassen. Der 3. November ist zudem ein besonderes Datum: Vor einem Jahr machte die Steuerfahndung der Verbandszentrale in der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise ihre Aufwartung - der DFB war endgültig Teil eines Skandals geworden.

Auf den damaligen Schatzmeister konnten sich später alle Lager irgendwie am schnellsten verständigen, nachdem die die Enthüllungen zum Sommermärchen 2006 seinen Vorgänger Wolfgang Niersbach den geliebten Job kosteten. Dass Grindel am morgigen Freitag das Votum der 260 Delegierten erhält, um nun offiziell in eine dreijährige Amtszeit zu gehen, gilt als sicher. Der gebürtige Hamburger hat schnell gelernt, wie in diesem Metier die Lobbyarbeit geht. Und der 55-Jährige hat gemeinsam mit dem neuen Generalsekretär und promovierten Juristen Friedrich Curtius einiges bewegt.

In Windeseile wird nun eine Ethikkommission implantiert, deren fünf Mitglieder am Freitag gewählt werden. Grindel freut sich auf "hervorragend qualifizierte" Köpfe, die genau wie ein neues Compliance-Management-System für Transparenz stehen sollen. Vorbei die Zeiten, dass nach Gutsherrenart und Gutdünken regiert wird. Die dubiosen Zahlungsflüsse rund um die WM 2006 waren eben nur möglich, weil die Finanzen intern wie "ein Buch mit sieben Siegeln" (Grindel) behandelt wurden.

Mittlerweile wird der jährliche Finanzbericht ins Internet gestellt. Man will zeigen: Wir haben verstanden. Einher gehen im Hintergrund des 300 Mitarbeiter starken Verbandes tiefgreifende Strukturen, um den ideellen und wirtschaftlichen Bereich besser zu trennen. Die drei eigenständigen Tochtergesellschaften (DFB-Medien, DFB-Online und DFB-Wirtschaftsdienste) werden künftig in einer (Sales & Services) zusammengefasst.

Drei wichtige Verträge sind pünktlich verlängert worden. Der den Geldfluss zwischen DFB und Deutscher Fußball Liga (DFL) regelnde Grundlagenvertrag bis 2023. Der dem Verband nun 50 statt 25 Millionen Euro jährlich garantierende Ausrüstervertrag mit Adidas bis 2022. Und der mit Bundestrainer Joachim Löw bis 2020, was laut Grindel "alle überflüssige Diskussionen" erstickt.

Der Strippenzieher weiß ja, welche Schlüsselrolle der mediale Betrieb inzwischen einnimmt. Deswegen geht er offen damit um, dass der ursprüngliche Kostenrahmen für die neue Akademie inklusive neuer DFB-Heimat - neben dem Masterplan Amateurfußball und der Bewerbung für die Euro 2024 eins von drei großen Zukunftsprojekten - nicht zu halten sein wird. 109 Millionen Euro reichen nicht, soll der Entwurf des ausgesuchten Architekturbüros gehalten werden. Ursprünglich sollte der gesamte Bau, der sich wegen einer Klagewelle des auf dem Gelände in Frankfurt-Niederrad ansässigen Rennclubs ohnehin deutlich verzögert, 89 Millionen kosten. Die Preisexplosion muss der breiten Basis noch erklärt werden. Mit einem einfachen Anruf ist es nicht getan.

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Am Rande Die ersten zwei Länderspiele der deutschen Futsal-Nationalmannschaft am Sonntag und am Dienstag in Hamburg gegen England (5:3 und 3:3) waren ein Anfang - DFB-Präsident Reinhard Grindel will den Hallenkick künftig noch stärker fördern: "Wir werden in den nächsten Jahren einen Schwerpunkt auf die Entwicklung dieses Nationalteams und den DFB-Futsal-Cup für die Clubs legen." Das erste große Ziel des Nationalkaders ist die Europameisterschaft 2018 in Slowenien. In der ersten Qualifikationsrunde, die vom 23. Januar bis 1. Februar stattfindet, geht es gegen Estland, Lettland und Armenien. dpa

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