Kampf der GigantenWeitspringer Reif geht mit breiter Brust in die Qualifikation

London. In Döhlen, einem kleinen Stadtteil der sächsischen Gemeinde Seelitz, steht der Sekt schon kalt. Wenn David Storl, der berühmteste Mensch, den Döhlen hervorgebracht hat, heute um 11 Uhr in der Qualifikation der Kugelstoßer erstmals den olympischen Ring besteigt, dann wird der Ertelsche Hof beim "Public Viewing" aus allen Nähten platzen.David Storl

London. In Döhlen, einem kleinen Stadtteil der sächsischen Gemeinde Seelitz, steht der Sekt schon kalt. Wenn David Storl, der berühmteste Mensch, den Döhlen hervorgebracht hat, heute um 11 Uhr in der Qualifikation der Kugelstoßer erstmals den olympischen Ring besteigt, dann wird der Ertelsche Hof beim "Public Viewing" aus allen Nähten platzen.David Storl. Europameister und Weltmeister. Der erste Kugelstoßer der Welt, der beide Titel gleichzeitig trägt - und das mit gerade einmal 22 Jahren. Und heute Abend nach dem Finale, das er problemlos erreichen sollte, auch noch Olympiasieger? "Der Titel bei der EM hat nochmal Schwung in die Olympia-Vorbereitung gebracht", sagt sein Trainer Sven Lang, der mit Storls Leistungsstand zum Saisonhöhepunkt zufrieden ist: "Es deuten sich sehr gute Leistungen an." In Richtung 22 Meter soll es heute gehen. "Das Ziel ist sicherlich eine Medaille", sagt Lang, "und wenn man vor einem Jahr Weltmeister geworden ist, dann ist das auch ein realistisches Ziel".

Seit Dienstag ist Storl als einer der ersten deutschen Leichtathleten in London, hat sich ein wenig umgeschaut, akklimatisiert. Die Anreise sei stressig gewesen, und die Matratze in seinem Zimmer im olympischen Dorf sei ein wenig kurz geraten, erzählt Storl. Sonderlich zu stören scheint das das 1,99 Meter große und 122 Kilogramm schwere "Jahrtausend-Talent" (Kugelstoß-Europameisterin Nadine Kleinert) nicht. Denn neben seiner sportlichen Begabung zeichnet Storl eine Sache ganz besonders aus: Er ist die Ruhe in Person - jedenfalls vor dem Wettkampf. "David hat zwei große Vorteile", sagt Trainer Lang, "zum einen ist er sehr schnell im Ring, zum anderen ist er ein richtiger Wettkampftyp, kann sich da richtig reinbeißen".

Das muss Storl auch tun. Denn der Wettbewerb in London verspricht, die spektakulärste Kugelstoß-Veranstaltung in der bisherigen Olympia-Geschichte zu werden. Alleine der Blick in die unrasierten, vollbärtigen Gesichter der großen Männer des Kugelstoß-Sports, die in London aufs Treppchen wollen, kann Furcht einflößend sein. Christian Cantwell, Reese Hoffa, Ryan Whiting, alle aus den USA, dazu Olympiasieger Tomasz Majewski aus Polen: allesamt sind hochdekoriert mit vielen Medaillen bei internationalen Meisterschaften. Alle haben Bestweiten um die 22 Meter oder sogar darüber vorzuweisen - wie der Weltjahresbeste Cantwell (22,31). Storls weitester Versuch sind seine 21,78 Meter vom Weltmeister-Stoß in Daegu 2011.

Die Verantwortlichen des Deutschen Leichtathletik-Verbandes wissen um den riesigen Druck, der auf den großen Schultern von Storl lastet. Ein guter Start mit einer Medaille von Storl oder den beiden Weitspringern Sebastian Bayer und Christian Reif könnte die gesamte deutsche Leichtathletik-Mannschaft beflügeln. "Die ersten beiden Tage in London haben Signalwirkung. David strahlt großes Selbstvertrauen aus. Er weiß, was er kann", sagt Sportdirektor Thomas Kurschilgen, "er hat in Kienbaum ein fantastisches Abschlusstraining absolviert". Gute Voraussetzung, dass es also heute Abend im sächsischen Döhlen auch was zu feiern gibt. London. Christian Reif mag nicht hinter dem Berg halten. "Nach wie vor ist es so, dass ich eine Medaille anstrebe", sagt der Weitspringer des ABC Ludwigshafen, "alles andere wäre Tiefstapelei". Manch einer mag sich wundern" woher diese Zuversicht kommt. Schließlich hat er in dieser Saison gerade einmal zwei Wettkämpfe absolviert. Mehr gab der Körper von Reif, besser gesagt seine gereizte Achillessehne, nicht her. Darüber zerbricht sich der Athlet, der in Saarbrücken am Olympiastützpunkt trainiert, aber nicht den Kopf: "Ich habe meinen Leistungsnachweis in Saarbrücken erbracht, und ich wäre nicht hier in London, wenn ich nicht fit wäre." Thomas Kurschilgen, Sportdirektor des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), hat vollstes Vertrauen in den Europameister von 2010: "Christian weiß, was er leisten kann."

Der DLV hat neben Reif noch ein weiteres Eisen im Medaillenfeuer: Sebastian Bayer. Der Nachfolger von Reif als Europameister formuliert seine Ziele bescheidener. "Ich will einen guten Wettkampf machen", sagt der Hamburger, "was dann rauskommt, wird sich zeigen. Wenn ich weit springe und am Ende Fünfter oder Siebter werde, dann kann das genau so viel wert sein wie eine Medaille".

Heute steht ab 20.50 Uhr die Qualifikation für das Finale am Samstag an, in der mit Alyn Camara noch ein dritter Deutscher an den Start geht. "Die werde ich ambitioniert bestreiten", sagt Reif und schiebt entschlossen nach: "Aber ich gehe mal vom Erreichen des Finals aus. Das ist es schließlich, was hier interessiert." mwe

Auf Einen Blick

Am Sonntag um 12 Uhr fällt für Langstreckenläuferin Susanne Hahn (SV schlau.com Saar 05 Saarbrücken) der Startschuss zu ihrem zweiten olympischen Marathon. Vor vier Jahren in Peking war Hahn in 2:38,31 Stunden auf Platz 52 angekommen. Das soll in London, wo ihr das nicht so warme Wetter wie in Peking sicher zu Gute kommen wird, besser werden. Ein Platz unter den besten 30 ist für die Saarsportlerin 2011, die sich auf 2:28,49 Stunden verbessert hat, realistisch. mwe

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