Fußball-Regionalliga Südwest Klare Meinung zu Özil und zum FCS

Saarbrücken · Neuzugang José Pierre Vunguidica musste als Kind seine Heimat Angola verlassen. Auch er hat Rassismus erlebt.

 José Pierre Vunguidica will mit dem 1. FC Saarbrücken durchstarten. Im Sturm dürfte der Neuzugang zum Saisonstart gesetzt sein, zumal seine Positions-Kollegen verletzt oder noch nicht in Form sind.

José Pierre Vunguidica will mit dem 1. FC Saarbrücken durchstarten. Im Sturm dürfte der Neuzugang zum Saisonstart gesetzt sein, zumal seine Positions-Kollegen verletzt oder noch nicht in Form sind.

Foto: Andreas Schlichter

Rassismus in Deutschland allgemein und im Fußball im Besonderen – ein Thema, das nach dem Rücktritt von Mesut Özil aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft heiß diskutiert wird. „Ich kann Mesut Özil ein Stück weit verstehen“, sagt José Pierre Vunguidica, der Stürmer des Regionalligisten 1. FC Saarbrücken mit angolanischen Wurzeln: „Ich bin in dörflichen Strukturen aufgewachsen. Da gab es nicht jeden Tag rassistische Anfeindungen, aber immer wieder. Als Kind haben sich Trainer oder die Eltern von Mitspielern für mich eingesetzt. Aber es hat mich einfach mitgeprägt, meinen Charakter gebildet. Ich habe mir eine dickere Haut zugelegt, wollte es allen beweisen.“

Dabei sind es oft nicht die Beleidigungen von Gegenspielern oder gegnerischen Fans, die den Stürmer traurig oder gar wütend machen, es sind die kleinen Dinge des Alltags. „Das beginnt damit, dass Leute überrascht sind, dass ich so gut deutsch spreche. Nur weil ich schwarz bin?“, fragt der in Luanda geborene Vunguidica mit einem Hauch rheinischem Dialekt, und er stellt klar, dass Integration keine Einbahnstraße sein darf: „Ich finde, es gehört einfach dazu, die Sprache des Landes zu sprechen, in dem man lebt. Ich bin mit meiner Familie jetzt nach Saargemünd gezogen. Ich habe den Anspruch an mich selbst, schnellstmöglich so gut französisch zu sprechen, dass ich zumindest problemlos einkaufen gehen kann. Ich kann auch nicht verstehen, wenn Spieler, die seit Jahren in einem Land sind, nicht die einfachsten Fragen in der jeweiligen Sprache beantworten können. Für FußbalI-Interviews brauchst du in der Regel keinen Studienabschluss.“

Im Alter von zwei Jahren musste Vunguidica aus seiner Heimat Angola fliehen. „Flüchtlinge verlassen ihre Heimat nie freiwillig. Das unterscheidet sie von Auswanderern“, sagt er, der später 17 Mal das Nationaltrikot des Landes getragen hat, aus dem er fliehen musste: „Es war der Streit zwischen zwei Parteien, der zum Bürgerkrieg führte. Das hatte nichts mit dem Volk an sich zu tun. Darum habe ich das Trikot auch gerne und mit Stolz getragen.“

Stolz ist der junge Vater auf den zwei Wochen alten Sohn Eliyahs. „Das ist die hebräische Schreibweise“, erklärt Vunguidica, der evangelisch ist: „Wer kein Kind hat, kann meine Gefühle kaum nachvollziehen. Man hat eine ganz andere Sicht auf die Dinge, es macht alles andere eine Spur weit unwichtig. Und man versteht, was die eigenen Eltern für einen selbst geleistet haben.“

Leistung bringen will der 28-Jährige künftig im Trikot des 1. FC Saarbrücken. „Ich war schon sehr überrascht, wie viele positive Nachrichten ich von Fans bekommen habe, nachdem der Wechsel bekannt wurde. Das hatte ich nicht erwartet. Die sechs Wochen, die ich hier bin, sind wie im Flug vergangen. Das ist ein gutes Zeichen, denn nur schöne Dinge gehen schnell vorüber.“ Dass wegen seiner kurzen „Babypause“ und den Verletzungen der Stürmerkollegen Marcel Carl und Sebastian Jacob der FCS in der Vorbereitung mit ganz unterschiedlichen Aufstellungen agieren musste, sieht der Angreifer positiv: „Zumindest für mich als Neuzugang. Ich habe damit praktisch jeden Mitspieler besser kennengelernt. Die Feinjustierung kommt ohnehin erst in den Spielen.“

Dann will Vunguidica auch selbst wieder zeigen, was in ihm steckt. In 137 Spielen in der 3. Liga war er an 62 Trefern direkt beteiligt. „Ich hatte zuletzt in Sandhausen wenig Spielpraxis“, sagt er: „Mit Training wirst du besser. Aber auf den nächsten Level bringen dich nur Wettkämpfe.“ Und dass der FCS der Topfavorit auf den Aufstieg ist, schreckt den 28-Jährigen nicht. „Jürgen Klopp sagte, dass die Lust am Gewinnen größer sein soll als die Angst vorm Verlieren. Wir dürfen uns nicht mit Negativem befassen oder überlegen, was nächsten Sommer sein kann. Wir müssen jeden Tag konzentriert arbeiten, sonst wirst du im Fußball brutal bestraft. Das Spiel am Sonntag wird der erste Schritt auf einem sicher steinigen Weg.“ Zum Saisonauftakt ist der FSV Frankfurt im Völklinger Hermann-Neuberger-Stadion zu Gast.

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