"Johnson ist hingerichtet worden"

Saarbrücken. Es scheint, als stünde er nochmal im Ring. "Es war so ein dynamischer Wettkampf. Ich habe alles noch genau vor Augen", erinnert sich Hammerwerfer Christoph Sahner an seinen Wettkampf bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Rom 1987.Abwurf nicht getroffenSechs Werfer warfen über 80 Meter

Saarbrücken. Es scheint, als stünde er nochmal im Ring. "Es war so ein dynamischer Wettkampf. Ich habe alles noch genau vor Augen", erinnert sich Hammerwerfer Christoph Sahner an seinen Wettkampf bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Rom 1987.

Abwurf nicht getroffen

Sechs Werfer warfen über 80 Meter. "Ab dem vierten Versuch wechselte ständig die Führung", erinnert sich der heute 45-Jährige aus Wemmetsweiler. Die zweite WM der Geschichte war auch die zweite WM des heutigen Mitarbeiters des saarländischen Innenministeriums. 1985 und 1986 war er Deutscher Meister. 1985 stellte er mit 81,56 Metern einen Deutschen Rekord auf. "Bei meinem letzten Versuch in Rom habe ich noch im Ring gedacht, dass ich den Abwurf nicht so gut getroffen habe", erinnert er sich. Der Hammer flog dennoch auf 80,85 Meter. "Wenn ich den Abwurf getroffen hätte, dann wäre er wohl über 82 Meter geflogen", sagt Sahner und ärgert sich immer noch. Denn: "Es fehlten nur 18 Zentimeter zur Bronze- und 26 Zentimeter zur Silbermedaille." Bitter, "aber auch der vierte Platz war ein Erfolg", so Sahner. Gewonnen hatte mal wieder Sergei Litwinow (83,06 Meter), auf Platz zwei landete sein russischer Landsmann Jüri Tamm (80,84 Meter), auf Platz drei Ralf Haber aus der DDR (80,76 Meter).

DDR erfolgreichste Nation

Die DDR war bei der WM in Rom die erfolgreichste Nation der insgesamt 157 teilnehmenden. Torsten Voss gewann vor dem Westdeutschen Siegfried Wentz den Zehnkampf, Heike Drechsler holte Silber über die 100 Meter und Bronze im Weitsprung. Unvergessen aus deutscher Sicht sind auch die 400 Meter Hürden. Nicht zuletzt, weil Harald Schmid aus Hanau Europarekord lief (47,48 Sekunden) und dennoch "nur" Bronze gewann. Es war das wohl knappste Finale der WM-Geschichte. Auf den zweiten Platz lief zeitgleich der US-Amerikaner Danny Harris, lediglich zwei Hundertstel schneller als die beiden war eine Leichtathletik-Legende: Edwin Moses, Olympiasieger 1976 und 1984 und Weltmeister 1983 und 1987. Moses lief zwischen 1976 und 1983 viermal Weltrekord. Zwischen 1977 und 1987 blieb der US-Amerikaner in 122 aufeinander folgenden Rennen ungeschlagen. Ein Jahrhundert-Läufer.

Auch der Kanadier Benjamin Sinclair Johnson galt nach der WM in Rom als Jahrhundertläufer. Johnson gewann den 100-Meter-Lauf, verbesserte dabei mit einer Zeit von 9,83 Sekunden den damals gültigen Weltrekord des US-Amerikaners Calvin Smith gleich um eine Zehntelsekunde. Als Zweiter kam Carl Lewis (USA) ins Ziel (9,93 Sekunden). Nur ein Jahr später gewann Ben Johnson auch das 100-Meter-Finale der Olympischen Spiele in Seoul vor Lewis. Seine Zeit bei den Spielen: 9,79 Sekunden.

"Hatten alle dicke Muskeln"

Doch nach diesen zwei Jahren war die Zeit des Jahrhundert-Läufers abgelaufen. Doping, anabole Steroide hatten für die Muskelberge des Kanadiers gesorgt, der "nicht so ganz das Charisma hatte wie Lewis", sagt Christoph Sahner. Nach all den Jahren hat der Ex-Weltklasse-Hammerwerfer heute Mitleid mit Ben Johnson: "Er war ein Opfer und ist hingerichtet worden", sagt er und fragt: "Die anderen im Finale hatten auch dicke Muskeln. Ob die wirklich alle sauber waren? Das kann ich mir nur sehr schwer vorstellen", vermutet Christoph Sahner. > Serie wird fortgesetzt

Auf einen Blick

WM 1987 in Rom:

Saarländische Teilnehmer: Christoph Sahner (TV Wattenscheid) Hammerwurf. 4. Platz mit 80,58 Meter.

Deutsche Medaillen:

Gold: Thomas Schönlebe (400 Meter), Hartwig Gauder (50 Kilometer Gehen), Jürgen Schult (Diskuswerfen), Torsten Voss (Zehnkampf), Silke Gladisch (100 m), Silke Gladisch (200 Meter), Sigrun Wodars (800m), Sabine Busch (400 m Hürden), Dagmar Neubauer, Kirsten Emmelmann, Petra Müller, Sabine Busch (4x400 m), Martina Hellmann (alle DDR/Diskuswerfen).

Silber: Siegfried Wentz (DLV/Zehnkampf), Hagen Melzer (3000 m Hindernis), Ronald Weigel (50 Kilometer Gehen), Heike Drechsler (100 m), Petra Müller-Schersing (400 m), Christine Wachtel (800 m), Hildegard Körner (1500 m), Gloria Uibel-Siebert (100 m Hürden), Silke Gladisch, Kerstin Behrendt, Cornelia Oschkenat, Marlies Göhr (4x100 m), Kathrin Neimke (Kugelstoßen), Diana Gansky (Diskuswerfen), Petra Felke (alle DDR/Speerwerfen).

Bronze: Harald Schmid (400 m Hürden), Beate Peters (beide DLV/Speerwerfen), Hans-Jörg Kunze (10000 m), Ralf Haber (Hammerwerfen), Cornelia Ullrich (400 m Hürden), Kirsten Emmelmann (400 m), Ulrike Bruhns (3000 m), Kathrin Ullrich (10000 m), Cornelia Oschkenat (100 m Hürden), Susanne Beyer (Hochsprung), Heike Drechsler (Weitsprung), Ines Müller (alle DDR/Kugelstoßen).

Medaillenspiegel: 1. DDR (10 Gold/11 Silber/10 Bronze), 2. USA (10/4/6), 3. URS (7/12/6), ..., 5 DLV (0/1/2).

Weltrekorde: Hochsprung Frauen, Stefka Kostadinova (BUL), 2,09 Meter, 100 Meter Männer, Carl Lewis (USA) 9,93 Sekunden/egalisiert. kip

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