Jenseits von Zeit und AlterJulian Reister feiert seinen bisher größten Erfolg

Paris. Die Berliner Mauer war noch nicht gefallen, als Kimiko Date-Krumm im Frühling 1989 erstmals über den roten Sand von Paris rutschte. Damals war sie 18 Jahre alt, eine Teenagerin, die niemand beachtete im großen Grand-Slam-Zirkus. Doch nun, 21 Jahre später, ist sie nichts anderes als die größte Geschichte bei den French Open 2010

Paris. Die Berliner Mauer war noch nicht gefallen, als Kimiko Date-Krumm im Frühling 1989 erstmals über den roten Sand von Paris rutschte. Damals war sie 18 Jahre alt, eine Teenagerin, die niemand beachtete im großen Grand-Slam-Zirkus. Doch nun, 21 Jahre später, ist sie nichts anderes als die größte Geschichte bei den French Open 2010. Eine wundersame Mutter Courage, die mit Herz, Leidenschaft und stählernem Willen einen unfassbaren Erstrundensieg gegen die letztjährige Finalistin Dinara Safina auf den Court zauberte - und Zeit und Alter ignorierte. Wie mit einer Zeitmaschine aus der Ära Graf und Seles in die Gegenwart katapultiert, ist Date-Krumm zum Phänomen der Pariser Tennis-Festspiele geworden. "Ein Sieg für die Geschichtsbücher", notierte die "L'Equipe" nach dem Drei-Satz-Triumph der Japanerin.Die Unverdrossenheit, mit der die Veteranin eine peinvolle Wadenverletzung wegsteckte, war geradezu ein Abbild für die Ausdauerkraft in einer fast beispiellosen Karriere. "Ich hasse es, zu verlieren. Und ich hasse es, ein Spiel aufzugeben", sagte Date-Krumm, die am Ende nur von ihrem starken Geist in einem schwachen Körper lebte. "Humpelnd wie ein angeschlagener Soldat" sei sie zum Sieg gelangt, befand die australische Zeitung "The Age". Noch in der Woche vor dem Turnierstart hatte sie sich im nordrhein-westfälischen Hemer wegen ihres Muskelfaserrisses behandeln lassen - auf Vermittlung ihres Rennfahrer-Gatten Michael Krumm.Ohne ihn wäre es mit Date-Krumm auch nie so weit gekommen. "Dass ich noch einmal zurückgekehrt bin auf die Tour, habe ich besonders meinem Mann zu verdanken", sagte Date-Krumm und deutete auf den schmächtigen Schwaben, der sie nach der Heirat 2001 immer wieder animiert hatte, es noch einmal mit dem Tennis zu versuchen. "Sie war so gesund, so fit, so unternehmungslustig. Und sie hatte einfach viel zu früh aufgehört 1995", sagte Krumm, der die Tennisspielerin 1998 in Le Mans kennen gelernt hatte.Doch erst 2007, nach zwischenzeitlichen Ausflügen auf internationale Marathonstrecken, kommt der entscheidende Impuls fürs zweite Tennisleben. Und wie schon 1996, beim Abschied, spielt Steffi Graf eine maßgebliche Rolle. Damals, Mitte der Neunziger, verliert Date-Krumm in einem dramatischen Wimbledon-Halbfinale in drei Sätzen gegen die Freundin aus Deutschland und kündigt ihren Abschied zum Jahresende an. 2007 findet ein Schaukampf in Tokio statt, mit Martina Navratilova, mit Graf und Date-Krumm. Die Japanerin, daheim eine Berühmtheit mit millionenschweren Werbeverträgen, bereitet sich mit gewohntem Ehrgeiz vor - und schafft wirklich den Sieg gegen Graf. "Das war der Moment, wo ich gedacht habe: Ich versuche es noch mal. Ich kann auch bei den Profis noch gut mithalten." Und es ist auch der Moment, in dem Michael Krumm aufatmet - der Rennfahrer, der einst mit Michael Schumacher in den Circuit startete: "Acht Jahre lang hatte ich gebraucht, um sie überzeugen. Aber den entscheidenden Kick gab erst dieses Match gegen Steffi." Knappe 1400 Kilometer war Krumm nach einem Renneinsatz am Wochenende in Brünn herübergefahren, um noch beim Erstrundenspiel seiner Frau unterm Eiffelturm dabei sein zu können - mit Übernachtungs-Boxenstopp in Stuttgart. "Ich hätte es mir nie verziehen, wenn ich das nicht gesehen hätte", sagte er hinterher, als das Wunder dieses Sieges perfekt war. Inszeniert von einer Frau, die immerhin zwölf Jahre lang kein einziges Tourspiel mehr bestritten hatte. Inzwischen belegt sie in der Weltrangliste Platz 72, Tendenz weiter aufwärts. Wann sie zum letzten Mal eine Top Ten-Spielerin geschlagen habe, wurde sie in Paris nach dem Sieg gegen die ehemalige Weltranglisten-Erste Safina gefragt - und musste erst mal passen. Doch dann fiel es ihr ein: "1996 Monica Seles, beim Masters in New York." Eine kleine Ewigkeit ist das schon her.Paris. Qualifikant Julian Reister hat bei den French Open überraschend als erster Deutscher den Sprung in die dritte Runde geschafft und damit seinen mit Abstand größten Karriere-Erfolg gefeiert. Die Nummer 165 der Tenniswelt besiegte gestern in Paris den belgischen Routinier Olivier Rochus souverän mit 6:2, 6:2, 7:6 (7:5). In der nächsten Runde der mit 16,8 Millionen Euro dotierten Veranstaltung trifft der Schleswig-Holsteiner nun auf Titelverteidiger Roger Federer. Der 24-jährige Reister steht zum ersten Mal im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers und hat bereits ein Preisgeld von 42 000 Euro sicher.Angelique Kerber hat dagegen in der zweiten Runde eine Überraschung knapp verpasst. Die Tennisspielerin aus Kiel musste sich Madrid-Siegerin und Turnier-Geheimfavoritin Aravane Rezai aus Frankreich mit 2:6, 6:2, 3:6 geschlagen geben. Deutschlands Nummer eins Andrea Petkovic aus Darmstadt vergab vier Matchbälle gegen die Vorjahressiegerin Swetlana Kusnezowa (Russland) und verlor am Ende mit 6:4, 5:7, 4:6. dpa "Ich hätte es mir nie verziehen, wenn ich das nicht gesehen hätte."Michael Krumm, Ehemann der Japanerin Kimiko Date-Krumm

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