Jahresrückblick Entsetzen über eine historische WM-Pleite

Der SZ-Rückblick auf das Fußballjahr 2018 liefert leider schmerzhafte Erinnerungen: ans WM-Aus der Nationalelf, den Abstieg des FCK und ans Scheitern des FCS gegen 1860.

  „Für den sehr Einsamen ist schon Lärm ein Trost“, schrieb einmal Nietzsche. Und Trost konnte Nationaltorwart Manuel Neuer beim WM-Aus durch das 0:2 gegen Südkorea gut gebrauchen.

„Für den sehr Einsamen ist schon Lärm ein Trost“, schrieb einmal Nietzsche. Und Trost konnte Nationaltorwart Manuel Neuer beim WM-Aus durch das 0:2 gegen Südkorea gut gebrauchen.

Foto: dpa/Ina Fassbender

Da soll man mal noch sagen, die Saarbrücker Zeitung sei zu pessimistisch. „Toller Sommer lässt für die WM hoffen“, titelte die SZ-Sportedaktion in ihrem Jahresrückblick auf 2017. Zwölf Monate später sind wir schlauer. Dabei hatten doch der gewonnene Confed-Cup und der Sieg bei der U21-EM durch das Team des Saarländers Stefan Kuntz auf weitere Großtaten hoffen lassen. Stattdessen erlebten die Fans im Sommer die wohl verkorksteste Weltmeisterschaft, die es aus deutscher Sicht jemals gab. Von wegen Turniermannschaft. Von wegen „Fußball ist, wenn 22 Leute einem Ball hinterherlaufen und am Ende immer Deutschland gewinnt“ (Gary Lineker).

Am 23. März war die Welt noch in Ordnung. Nach dem 1:1 im Testspiel gegen Spanien war die deutsche Nationalmannschaft stolze 22 Spiele ohne Niederlage (darunter das gesamte Jahr 2017). Dann brach es aber ab. Höhepunkt der verkorksten WM-Vorbereitung waren die Fotos von Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Der in Gelsenkirchen geborene Gündogan schrieb auf sein Trikot, das er Erdogan schenkte: „Für meinen Präsidenten, hochachtungsvoll.“

Es folgte eine wochen-, ja monatelange Diskussion, die sicher einen Gutteil zur schlechten Stimmung und zum frühen WM-Ausscheiden beitrug. Nach dem 0:1 gegen Mexiko hielt das 2:1 gegen Schweden durch ein Tor in letzter Sekunde von Toni Kroos noch alle Chancen offen, ehe das 0:2 gegen Südkorea das erstmalige Aus bei einer WM in der Vorrunde besiegelte.

Gründe für das Debakel gab es viele. Die falsche Personalauswahl und Taktik von Bundestrainer Joachim Löw, der trotzdem im Amt blieb. Leistungsträger wie Thomas Müller waren komplett außer Form, vorne fehlte ein Weltklasse-Stürmer, es gab keinen echten Anführer und vor allem die mieseste Chancenverwertung aller 32 WM-Teams. Dazu kam das unglückliche Krisenmanagement in der Erdogan-Affäre. Da half auch ein Treffen Özils und Gündogans mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nicht mehr, den Geist der Empörung in großen Teilen der Bevölkerung über die Solidarisierung mit einem Autokraten wieder in die Flasche zu bekommen. Dazu kam, dass Özil beharrlich schwieg, er wolle ja nichts zu Politik sagen. Erst vier Wochen später meldete er sich zu Wort – indem er über Twitter einen Rundumschlag in drei Teilen verfassen ließ, in dem er als Krönung dem Deutschen Fußball-Bund Rassismus vorwarf.

Die Aktion bildete die letzten Striche, die Özils Charakter zeichneten. Später ging er nicht ans Telefon, als Löw mit ihm sprechen wollte, und ließ sich sogar verleugnen, als der Bundestrainer ihn auf dem Vereinsgelände des FC Arsenal treffen wollte. Özils Rücktritt nach 92 Länderspielen war der Endpunkt des sommerlichen WM-Desasters, das im Herbst seine Fortführung fand. Nach Pleiten gegen die Niederlande und Frankreich stieg Deutschland in der neu gegründeten Nations League in die zweite Etage ab. Statt eines radikalen Schnitts gab es erst peu à peu Blutauffrischung im Team. Bitter auch für Jonas Hector, der aber auch für positive Schlagzeilen sorgte. Der Nationalspieler aus Auersmacher blieb nämlich trotz des Abstiegs aus der Bundesliga dem 1. FC Köln treu.

Auch bei der Frauen-Nationalmannschaft lief es nicht rund, so musste Allzweckwaffe Horst Hrubesch für Steffi Jones als Bundestrainer einspringen. Und Nationalspielerin Dzsenifer Marozsán aus Saarbrücken erlebte einen echten Schock. Die beste deutsche Fußballerin erlitt am 50. Geburtstag ihrer Mutter eine beidseitige Lungenembolie. Mittlerweile ist Marozsán wieder genesen. Keine Selbstverständlichkeit, wenn man bedenkt, dass im Dezember die bekannte Moderatorin Stefanie Tücking an Lungenembolie, der dritthäufigsten Todesursache in Deutschland, starb.

Wie die Nationalelf erlebte auch der deutsche Branchenführer heuer kein gutes Jahr. Zwar kam der FC Bayern München ins Champions-League-Halbfinale und wurde deutscher Meister. Das DFB-Pokalfinale ging aber gegen Eintracht Frankfurt verloren, und mit dem vom Main losgeeisten Neu-Trainer Nico Kovac hinken die Bayern in der Bundesliga Borussia Dortmund und ihren eigenen Ansprüchen hinterher. Bitter verlief 2018 auch für den Bundesliga-Dino Hamburger SV, der mit Trainer Christian Titz (auch schon wieder Geschichte) erstmals aus der Bundesliga abstieg. Hoch ging der Fahrstuhl dagegen für Fortuna Düsseldorf und den 1. FC Nürnberg.

Ähnlich wie der HSV erlebte auch der 1. FC Kaiserslautern im abgelaufenen Jahr eine schlimme Zäsur. Der ruhmreiche Club von Fritz Walter, lange Jahre Stammgast in der Bundesliga und vier Mal deutscher Meister, musste den bitteren Gang in die 3. Liga antreten. Auch Trainer-Routinier Michael Frontzeck konnte als Nachfolger des erkrankten Jeff Strasser nur einen kurzzeitigen Umschwung einleiten. Zum Winter steht der FCK mit dem neuen Trainer Sascha Hildmann im Mittelfeld. Zudem sorgt der Fall aus der 2. Bundesliga auch für weitere wirtschaftliche Sorgen in der Pfalz.

Dort, wo Lautern nun spielt, wäre der 1. FC Saarbrücken liebend gerne hin aufgestiegen. Trotz einer starken Saison und dem Meistertitel in der Regionalliga Südwest mit deutlichem Abstand scheiterte der FCS genau wie Waldhof Mannheim an der wohl grausamsten Erfindung des DFB: der Relegation zur 3. Liga. Nach einer 2:3-Niederlage im Heimspiel gegen den TSV 1860 München endete das Rückspiel 2:2. Und auch das Saarlandpokalfinale gegen die SV Elversberg endete 0:1. Der SVE, die das Thema Aufstieg vergangene Saison früh ad acta legen musste, geht es in dieser Spielzeit übrigens genauso. Und daher musste auch Roland Seitz, der sportliche Leiter und Trainer in Doppelfunktion, gehen. Er wurde von Horst Steffen ersetzt. Im Sattel blieben beim FCS Dirk Lottner und beim FC Homburg Jürgen Luginger. Der FCH stieg dermaßen souverän aus der Oberliga auf und reparierte als Meister den Betriebsunfall, dass der Höhenflug des Geheimfavoriten in der Hinrunde dieser Regionalliga-Saison auch angesichts namhafter Neuzugänge niemand wundert.

So, genug Negatives. Vielleicht sollten wir ja im Jahresrückblick 2018 einfach „Alles ganz furchtbar“ in die Überschrift schreiben – um uns im nächsten Jahr hoffentlich eines Besseren belehren zu lassen.

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