Irgendwie über den Winter kommen

Grosbliederstroff · Der neue Olympia-Zyklus beginnt, der Verteilungs-Kampf um Fördergelder ist im Gange. Auch im Saarland müssen sich einige Verbände neu aufstellen, Ziele für 2020 definieren. Die SZ beleuchtet ihre Situation.

 Am Wochenende fuhren die besten deutschen Slalom-Kanuten, hier Birgit Fassbender vom VfK Saar, in Grosbliederstroff. Ausrichter der German Masters war der Saarbrücker Kanu-Club.Foto: Schlichter

Am Wochenende fuhren die besten deutschen Slalom-Kanuten, hier Birgit Fassbender vom VfK Saar, in Grosbliederstroff. Ausrichter der German Masters war der Saarbrücker Kanu-Club.Foto: Schlichter

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Das Wort "Randsportart" hört Michael Trummer gar nicht gern. "Nein, das darf man nicht sagen", sagt er entschieden, offenbart aber gleichzeitig ein leichtes Schmunzeln: "Das ist bei uns streng verboten." Trummer ist deutscher Bundestrainer im Kanu-Slalom, einer Sportart, die im Schatten von Übermächten wie Fußball und Handball stattfindet. "Das ist ein Sport, der viel mehr Aufmerksamkeit und Bedeutung erfahren müsste", sagte der 48-Jährige gestern am Rande der German Masters, die der Saarbrücker Kanu-Club im französischen Grosbliederstroff ausrichtete: "In den Vereinen entwickelt sich so viel, und es wird einiges für den Nachwuchs getan. Aber das findet nach außen einfach nicht die Anerkennung, die es verdient. Das Hauptaugenmerk liegt bei den Leuten woanders."

Und das, obwohl die Sportart in der Bundesrepublik eine der erfolgreichsten überhaupt ist. Von den 124 Goldmedaillen, die Deutschland seit 1992 bei Olympischen Sommerspielen gewonnen hat, gingen 29 an den Kanu-Verband - fast ein Viertel. Erfolgversprechend ist dabei traditionell der Kanu-Rennsport. Aber auch die Slalomfahrer heimsten in den vergangenen 24 Jahren zehn Medaillen ein. Und obwohl es dieses Jahr in Rio für die Hoffnungsträger Hannes Aigner (Platz vier) und Sideris Tasiadis (Platz fünf) nicht ganz reichte, ist das Potenzial im Team riesig.

"Alle vier Jahre taucht der Sport auf dem Bildschirm auf - dazwischen ist tote Hose", weiß auch Jörg Blees, Slalomtrainer beim Saarländischen Kanu-Club: "Durch die Olympischen Spiele haben die Leute zwar Zugang zum Kanusport , sie kennen ihn. Das Problem für uns ist es aber, dass wir nicht bewusst in den Köpfen der Saarländer sind. Es gibt viele Leute, die in ihrer Freizeit gerne paddeln, aber sie finden nie den Weg in den Verein." Trotzdem sind die Bedingungen zum Trainieren in Deutschland "allgemein sehr gut", sagt Blees. Zwei Olympiastützpunkte gibt es im Bundesgebiet - einen in Augsburg, den anderen in Leipzig. Dort werde auch sehr professionell trainiert - "aber das wird weder so wahrgenommen noch so gefördert", kritisiert Bundestrainer Trummer.

Dabei wäre eine Förderung hier gut angelegtes Geld, da immer wieder erfolgversprechende Nachwuchssportler aus den Talentschmieden den Sprung in die Nationalmannschaft schaffen. "Der erste Schritt dazu ist, dass die regionalen Vereine den Kindern eine vernünftige und gute Freizeitbeschäftigung geben und sie nach vorne bringen", erklärt Trummer: "Unter diesen Schülern gibt es dann immer ein paar Talente, die man zu Spitzenleuten formen muss, die dann international erfolgreich sind."

In dieser Hinsicht gibt es auch seit Kurzem im Saarland wieder Hoffnungen. Nachdem mit Martin Lang (in den 1990ern mehrfacher Europa- und Weltmeister sowie zweifacher Olympiateilnehmer) und Pascal Neibecker (Junioren-Weltmeister Anfang der 2000er) die letzten großen Stars des Saarländischen Kanu-Bunds ihre Karrieren längst beendet haben, betritt mit Emma Schuck wieder ein Saarbrücker Talent internationalen Kanu-Boden. Die Freestyle-Fahrerin ist bereits dreifache deutsche Meisterin und gewann im Mai mit persönlicher Rekordpunktzahl die Europameisterschaft.

Dass die Wildwasserstrecke an der deutsch-französischen Grenze in den letzten Jahren immer weiter ausgebaut wurde und die Trainingsbedingungen im Saarland so deutlich professioneller geworden sind, trägt also Früchte. Dennoch ist es für die Saarbrücker Kanuten alles andere als leicht, Nachwuchs zu gewinnen. "Kanu ist eine klassische Familiensportart", erklärt Bernhard Schmitt, Präsident des Saarländischen Kanu-Bundes: "Das macht es sehr schwer, junge Leute in den Verein zu bekommen. Wir versuchen einiges, veranstalten an Schulen AG's, bieten Kanufahren in Form von Klassenfahrten an. Wir müssen die Kinder ein Stück weit an die Hand nehmen und zeigen, was es alles gibt."

Das bringt jedoch einige Schwierigkeiten mit sich, wie auch Gisela Grothaus, Zweite bei den Olympischen Spielen 1972 in München und dreifache Weltmeisterin im Wildwasser-Kanu, weiß. "Fußball oder ähnliche Sportarten werden wir nicht einholen, das ist klar", sagte sie am Samstag in Grosbliederstroff : "Aber es kann auch nicht jeder Fußball spielen. Kinder sollen ausprobieren, wie viel Spaß der Sport macht - auch wenn es manchmal hart ist, draußen in der Kälte im Boot zu sitzen."

Genau darüber macht sich auch Schmitt Sorgen: "Ein großes Problem ist es, die Kinder über den Winter ins nächste Jahr zu retten." Kanu-Slalom ist ein Sommersport, sodass in den Wintermonaten viel Krafttraining auf dem Plan steht - eine Sache, die nicht jedermann liegt.

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