IOC vor historischer Entscheidung

Kopenhagen. Im 115. Jahr der modernen Olympia-Geschichte steht das Internationale Olympische Komitee (IOC) bei der Vergabe der Sommerspiele 2016 vor einer historischen Entscheidung: Erweiterung der olympischen Welt - oder das Festhalten an Bewährtem. Ein Sieg des Sympathieträgers Rio de Janeiro würde das Spektakel erstmals nach Südamerika bringen

Kopenhagen. Im 115. Jahr der modernen Olympia-Geschichte steht das Internationale Olympische Komitee (IOC) bei der Vergabe der Sommerspiele 2016 vor einer historischen Entscheidung: Erweiterung der olympischen Welt - oder das Festhalten an Bewährtem. Ein Sieg des Sympathieträgers Rio de Janeiro würde das Spektakel erstmals nach Südamerika bringen. Eine Entscheidung pro Mitfavorit Chicago, Tokio oder Madrid wäre ein Votum für Krisensicherheit. IOC-Präsident Jacques Rogge wird den Gewinner an diesem Freitag gegen 19 Uhr (Eurosport) in Kopenhagen ausrufen. "Die finanziellen Aspekte sind nicht wichtig", erklärt Rogge, "es geht um den besten Gastgeber". Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe wird US-Präsident Barack Obama wieder in Richtung Washington zurückfliegen. Der erste Auftritt eines US-Präsidenten vor dem IOC als Vertreter einer Kandidatenstadt hat Chicagos Chancen steigen lassen. "Obamas Besuch wird sicher Eindruck hinterlassen", prophezeit IOC-Vizepräsident Thomas Bach: "Ich wage keine Prognose. Alle vier haben Chancen. Südamerika ist neben Afrika der einzige weiße Fleck auf der olympischen Landkarte." Es ist Rios fünfter Versuch, Olympia-Gastgeber zu werden. Noch nie waren die Brasilianer so nah dran. Als Obamas Gegenspieler forderte Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva von den Olympiern Mut zu Visionen: "Ja, wir können es. Olympia ist nicht nur für die reichen Länder." Geopolitische Gründe und der emotionale Wohlfühlfaktor sprechen für die Stadt an der Copacabana. Die Kriminalitätsrate mit 5700 Morden 2008 und notwendige Investitionen von 9,6 Milliarden Euro wegen fehlender Infrastrukturen wirken als Minuspunkte. Zudem wird Rio wegen der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien eine schwierige Doppelbelastung attestiert.Tokio, 1964 schon Olympia-Stadt, und Madrid gelten als Außenseiter - und würden im Erfolgsfall dem IOC Einnahmeverluste in dreistelliger Millionenhöhe bescheren. Denn ein Sieg Chicagos garantiert dem IOC einen lukrativeren Vertrag mit dem US-Fernsehen und US-Sponsoren. Aber auch aus Rio könnten Live-Bilder zur besten Sendezeit in Nordamerika angeboten werden. US-TV-Gigant NBC machte allein für die Olympischen Sommerspiele 2012 in London 1,2 Milliarden Dollar locker. Das Milliarden-Unternehmen Sommerspiele hat allen Kandidaten verheißungsvolle Versprechen entlockt. Tokios Planer um Premierminister Yukio Hatoyama versicherten mit dem Hinweis auf ihr "revolutionäres Umweltprojekt" sogar: "Unsere Spiele werden die Welt retten." Die Werbekampagnen haben die Städte mehr als eine Viertel Milliarde Dollar gekostet. Umso mehr waren in den letzten Stunden vor den einstündigen Abschlusspräsentationen der Kandidaten-Städte an diesem Freitagmorgen die Frontmänner gefragt. Obama hat der bedeutendsten Wahl im Weltsport den letzten glamourösen Anstrich gegeben. Bei so vielen unentschlossenen IOC-Mitgliedern wie vielleicht nie könnte der Obama-Faktor der entscheidende sein.

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