„In der Form meines Lebens“
Chamrousse · Der Italiener Nibali ist bei der Tour de France in den Bergen nahezu konkurrenzlos. Auch die Bergankunft in Chamrousse gewann der Astana-Kapitän, der damit schon über drei Minuten Vorsprung aufweist.
Vincenzo Nibali zupfte in aller Ruhe sein Trikot zurecht und rollte in gewohnter Jubelpose über den Zielstrich. Als der 29-jährige Italiener in 1730 Metern Höhe die Alpen-Skistation Chamrousse erreicht hatte, war von seinen letzten verbliebenen Konkurrenten weit und breit nichts zu sehen. Die 101. Tour de France entwickelt sich zur Ein-Mann-Show. Nibali, der auf der 13. Etappe am Freitag bereits seinen dritten Tagessieg bei der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt einfuhr, baute seine Führung im Gesamtklassement auf 3:37 Minuten vor dem neuen Zweitplatzierten Alejandro Valverde aus. Der Spanier hatte Chamrousse als Vierter erreicht.
"Ich bin vielleicht in der Form meines Lebens, weil ich in diesem Jahr einen guten Saisonaufbau hatte", sagte Nibali, der im Ziel gleich von seinem Teamchef Alexander Winokurow beglückwünscht wurde. Der Olympiasieger, der als Profi selbst nie in Gelb gefahren war, darf nun vom Coup in seinem zweiten Jahr als Astana-Boss träumen: "Ein großer Tag für uns und das Team. Wir haben das Trikot nicht nur verteidigt, sondern den Vorsprung ausgebaut."
Die erste Alpenetappe bot Nibali am Freitag bei brütender Hitze Platz für eine weitere Galavorstellung. Zwei energische Tempoverschärfungen auf dem 18,2 Kilometer langen Schlussanstieg reichten, um erstens Valverde zurückfallen zu lassen, und zweitens den Tagessieg gegen den Zweiten Rafal Majka (Polen) und Dritten Leopold König (Tschechien) vom deutschen Zweitliga-Team NetApp-Endura klar zu machen. In dieser Form dürfte Nibali nicht zu schlagen sein. Der Sizilianer ist auf bestem Weg, die Nachfolge Christopher Froomes anzutreten. Der britische Vorjahressieger war in der ersten Tourwoche verletzt ausgeschieden, auch der zweimalige Tour-Champion Alberto Contador hatte die Rundfahrt nach einem Sturz beenden müssen.
Winokurow bleibt aber noch zurückhaltend: "Wir müssen vorsichtig sein. Vincenzo hat heute viele Energien verbraucht. Ich hoffe, er hat sie morgen wieder." Am Samstag geht die Kletterpartie in den Alpen weiter. Auf dem Weg von Grenoble nach Risoul stehen wieder drei Bergprüfungen auf dem Programm, darunter der Tour-Klassiker Izoard. Mit 2360 Metern bildet er das "Dach" der Frankreich-Rundfahrt.
Den zweiten Gesamtplatz musste der Australier Richie Porte freimachen, der am Schlussanstieg völlig einbrach und 8:48 Minuten verlor. "Ich habe wahrscheinlich die Hitze nicht vertragen. Das war wahrscheinlich der Grund für meinen großen Rückstand", sagte er und nahm einen Schluck aus der Wasserflasche. Der Sky-Kapitän sollte eigentlich die Rolle von Froome übernehmen, ist jetzt aber wohl chancenlos.
letour.fr
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HintergrundDopingsünder Lance Armstrong erfährt zumindest von den früheren Siegern der Tour de France noch eine große Unterstützung. In einer Umfrage der niederländischen Tageszeitung "Telegraaf" haben sich zwölf von 23 früheren Gewinnern der Frankreich-Rundfahrt dafür ausgesprochen, dem lebenslang gesperrten Texaner die sieben aberkannten Siege von 1999 bis 2005 zurückzugeben. Nur sieben Ex-Champions begrüßten den Status quo. Zwei Ex-Fahrer hatten keine Meinung dazu, Eddy Merckx und Alberto Contador wollte das Thema nicht diskutieren. "Es war nicht gut, was er getan hat, aber man kann die Geschichte nicht umschreiben", sagte Joop Zoetemelk . Wie sich Jan Ullrich exakt geäußert hat, wurde nicht aufgeführt. dpa