In den Grundfesten erschüttert

Köln · FBI, EU und der deutsche Ligaverband fahren im Korruptions-Chaos beim Fußball-Weltverband Fifa schwere Geschütze auf. Ob allerdings die ersehnte Aufklärung jemals erfolgen wird, steht in den Sternen.

In der schwersten Krise seiner 110-jährigen Geschichte wankt das korruptionserschütterte Imperium des Fußball-Weltverbandes wie ein Kartenhaus. Durch die immer verworrenere Debatte über den umstrittenen Bericht von Fifa-Ethikchef Hans-Joachim Eckert (München) zum Manipulationsverdacht bei den WM-Vergaben für 2018 und 2022 hat die ohnmächtig wirkende Fifa-Spitze die Kontrolle verloren. Bezeichnend: Weltverbands-Chef Joseph S. Blatter ist bisher komplett abgetaucht.

Die Lage nach dem völlig misslungenen Befreiungsschlag von allen Korruptionsvorwürfen gegen die WM-Gastgeber Russland (2018) und Katar (2022) stellt sich für Blatter und Co. desaströs wie niemals zuvor dar. Chefermittler Michael Garcia (USA) legte offiziell Protest gegen Eckerts Report ein, die US-Bundespolizei verstärkt ihre Ermittlungen , die Europäische Union (EU) droht mit Konsequenzen, und in Deutschland brachte Liga-Präsident Reinhard Rauball sogar eine Abspaltung Europas ins Gespräch.

"Die Fifa kann gar nicht mehr anders als Garcias ursprünglichen Bericht mit den Ergebnissen seiner Ermittlungen zu veröffentlichen", fasste die Frankfurter Anti-Korruptions-Expertin Sylvia Schenk von Transparency International das Chaos zusammen und schlussfolgerte: "Es gibt ja gar kein Krisenmanagement. Die Fifa scheint führungslos und handlungsunfähig."

Im Kreuzfeuer der Kritik behalf sich denn auch Eckert krisenerprobter Verschleierungstaktik: Der Landgerichts-Richter bezeichnete seinen Bericht, in dem er das WM-Vergabeverfahren für die Ethikkommission wegen mangelnder Anhaltspunkte für Korruption für abgeschlossen erklärt hatte, nur als Zwischenstand und gestand Garcia vordergründig weitere Ermittlungen für den Abschlussbericht zu.

An der Kraft der "Weltregierung des Fußballs" zur radikalen Kurskorrektur im selbst angelegten Sumpf aus Manipulationen und Intrigen zweifelt Jurist Rauball nach Eckerts Report mehr denn je. "Das Ergebnis erschüttert die Grundfesten der Fifa, wie ich es noch nicht erlebt habe. Wenn diese Krise nicht glaubwürdig gelöst wird, muss man sich auch über die Frage unterhalten, ob man in der Fifa überhaupt noch gut aufgehoben ist. Eine Option, über die ernsthaft nachgedacht werden müsste, ist sicherlich, dass die Uefa sich von der Fifa löst", sagte der Dortmunder.

Scharf auf Garcias Akten ist auch das FBI . Die US-Agenten wollen nach Angaben des Nachrichtensenders CNN auf offiziellen Wegen in den Besitz der bislang von der Fifa unter Verschluss gehaltenen "Anklageschrift" des früheren US-Bundesanwaltes gelangen. Die Politik hat vom Versteckspiel der Fifa ebenfalls genug. "Es ist an der Zeit, dass die Fifa alle Karten auf den Tisch legt", sagte EU-Sportkommissar Tibor Navracsics (Ungarn) der Financial Times.

Im Zuge von Garcias Untersuchungen laufen mittlerweile angeblich auch wieder Ermittlungen gegen Franz Beckenbauer . Laut unbestätigten Informationen der Welt am Sonntag überprüfen die Fahnder eine Katar-Reise des "Kaisers" im Jahr 2009. 14 Monate vor Katars Wahl zum WM-Gastgeber sollte Beckenbauer, damals Mitglied der Fifa-Exekutive, die Araber offenbar auch im Sinne einer Vereinbarung des Deutschen Fußball-Bundes mit Katars Konkurrent Australien zu einem Verzicht auf die Kandidatur für 2022 bewegen.

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