Winter-Paralympics Immer noch eine offene Wunde

Pyeongchang · Die deutschen Behindertensportler starten mit Wehmut in die Paralympics in Pyeongchang. Sie hätten auch in München sein können.

 Pyeongchang putzt sich für die zwölften Winter-Paralympics heraus. Hier räumen Helfer Schnee von der Zuschauer-Tribüne des Biathlon-Stadions.

Pyeongchang putzt sich für die zwölften Winter-Paralympics heraus. Hier räumen Helfer Schnee von der Zuschauer-Tribüne des Biathlon-Stadions.

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Als Verena Bentele zum Flughafen fuhr, überkam sie die große Wehmut. Denn die 36-Jährige, nach ihrem Fünffach-Erfolg 2010 in Vancouver „Magdalena Neuner des Behindertensports“ genannt, dachte jede Sekunde daran: Diese Paralympics, die morgen in Südkorea beginnen, hätten auch in München stattfinden können.

„Ich wäre gerne mit dem Regionalexpress nach Garmisch gefahren“, sagt die heutige Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, die 2011 das paralympische Gesicht der deutschen Bewerbung war: „Ich bin sicher, dass wir sehr gute Rahmenbedingungen bieten und als echte Wintersport-Nation für eine besondere Stimmung hätten sorgen können.“

Auch für Friedhelm Julius Beucher ist es nach fast sieben Jahren wie eine offene Wunde. „Es ist immer noch eine sehr schmerzhafte Erinnerung“, sagt der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) mit Blick auf den 6. Juli 2011, den Tag der Vergabe der Spiele an Pyeongchang.

Beucher ist seit jeher ein harscher und beharrlicher Kritiker der Vergabe von Weltsportereignissen an für ihn nicht geeignete Länder. Im Fall von Südkorea kritisiert er das Umweltkonzept und die fehlende Nachhaltigkeit: „Jedes Mal, wenn ich darüber rede, ärgere ich mich und muss aufpassen, diplomatisch zu sein.“

Als Beucher die Olympischen Spiele in Pyeongchang vor dem Fernseher verfolgte, ärgerte er sich auch noch über die leeren Zuschauerränge. „Das drückt Gleichgültigkeit aus. Und das ist kein Phänomen, das erst während der Wettkämpfe entstanden ist, sondern das vorher absehbar war“, sagt er: „Wenn die Spiele in Deutschland stattgefunden hätten, hätte man eher befürchten müssen, dass viele Tickets teuer auf den Schwarzmarkt kommen.“

Auch Karl Quade, in Südkorea zum zwölften Mal in Serie Chef de Mission des deutschen Teams, denkt noch mit Verbitterung an „jenen denkwürdigen Tag, an dem das niederschmetternde Ergebnis aus Durban bekannt gegeben wurde“. Mit 63:25 stimmte das IOC damals für Pyeongchang. „München, Garmisch-Partenkirchen und die weiteren Standorte wären tolle Gastgeber gewesen, vor allem wenn ich an die ökologische Seite denke“, sagt Quade: „Aber das war beim IOC offensichtlich nicht so relevant.“

Bei den Sportlern herrschen gemischte Gefühle. „Für meine ersten Paralympics bin ich ganz froh, dass sie nicht zu Hause sind“, sagt etwa die nordische Athletin Clara Klug (23), gebürtig und wohnhaft in München: „Es ist sowieso schon alles sehr aufregend und spannend. Ich bin nur traurig, dass es München nicht für 2022 geworden ist.“ Teamkollegin Anja Wicker denkt ähnlich. „Es wäre schon verrückt, wenn man einfach so ins Auto steigen würde, um zu Olympia zu fahren“, sagt sie. Für das Erlebnis sei es aber nicht so schlecht, zu Paralympics zu fliegen.

Monoskifahrerin Anna-Lena Forster denkt derweil an ihre Eltern. „Sie mögen Fernreisen nicht so, deshalb wäre München besser gewesen“, sagt sie: „Aber sie sind natürlich auch in Korea mit dabei.“

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