Immer noch ein bisschen Mauerblümchen

Lissabon · Am heutigen Champions-League-Finale zwischen dem VfL Wolfsburg und Tyresö FF offenbaren sich die Chancen, aber auch die Risiken des professionellen Frauen-Fußballs.

Die Verweigerungshaltung ist hartnäckig. Wer bei der Europäischen Fußball-Union (Uefa) erfragen möchte, mit wie vielen Zuschauern beim heutigen Endspiel der Champions League der Frauen zwischen dem VfL Wolfsburg und Tyresö FF (20.30 Uhr/Eurosport) im 19 300 Plätze bietenden "Estádio do Restelo", Heimstätte von CF Os Belenenses, zu rechnen sei, bekommt diese Auskunft: "Noch sind Tickets verfügbar. Wir laden jeden ein, Teil eines festlichen Ereignisses zu werden." Offenbar besteht in Lissabon ein Problem, Fußball-Fans in den Stadtteil Belém zu locken. Die Ticketpreise liegen nur bei zehn Euro, und mittlerweile ist mit der Eintrittskarte der Einlass zu einem Auftritt des R & B-Stars Anselmo Ralph verknüpft. Motto: Wer sich zu einem Frauen-Finale wagt, wird mit einem Musikkonzert belohnt.

Eigentlich ist es grundsätzlich keine schlechte Idee, den noch in der Aufbauphase befindlichen Ableger der Königsklasse an seiner männlichen Strahlkraft teilhaben zu lassen. Aber in Ländern wie Portugal fristet der Frauen-Fußball halt ein Mauerblümchendasein. Der deutsche Titelverteidiger und das schwedische Starensemble um die ehemalige Weltfußballerin Marta stellen sich also besser auf einen provinziellen Rahmen ein. "Natürlich wünscht man sich mehr Aufmerksamkeit", sagt Wolfsburgs Nationalspielerin Lena Goeßling: "Und immerhin ermöglicht es Eurosport ja, dass jeder dieses Endspiel sehen kann."

Das ist nämlich auch Fakt: Die öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten hierzulande übertragen vertragstreu jeden sportlich fragwürdigen WM-Qualifikationskick der Frauen-Nationalmannschaft, nicht aber dieses vermutlich spannende Finale im internationalen Frauen-Fußball. VfL-Trainer Ralf Kellermann erwartet ein "Spiel auf Augenhöhe". Der Vorteil seiner Elf ist, dass sich alle Spielerinnen wieder die Erinnerungen aus dem Vorjahr in Erinnerung rufen, als es in London gelang, die Übermacht Olympique Lyon in die Knie zu zwingen. Kapitän Nadine Keßler, die wegen ihrer Vergangenheit bei Turbine Potsdam den Cup das dritte Mal gewinnen kann, sagt: "Wir wollen unseren Triumph bestätigen." Es wäre ein mit 250 000 Euro Prämie belohntes Signal, dass sich die VfL-Investitionen ins weibliche Segment rechnen, wo bald ein neues Stadion fertig ist, das sich die Frauen mit der Männer-U 23 teilen.

Zukunft von Marta ungewiss

Wie gut der Sympathieträger in der Autostadt ankommt, belegten ja auch die knapp 11 000 Zuschauer zum Halbfinale gegen Potsdam. Manchmal ist es jedoch mit der üppigen Alimentierung des Frauen-Fußballs zu viel, wie der heutige Gegner verdeutlicht: Der Gesamtverein Tyresö FF steckt in argen finanziellen Schwierigkeiten, Gehälter konnten teilweise nicht ausgezahlt werden. Noch hat der schwedische Vize-Meister nicht mal eine Lizenz für die heimische Liga. Präsident Hans Lindberg deutet an, dass sich seine halbe Weltauswahl bald in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Und wohin zieht es Marta? "Ich habe mich noch nie so sehr auf eine Sache konzentriert", versichert die 28-Jährige und schwärmt vom anstehenden Endspiel. Fragen zu ihrer Zukunft? Blockt die fünfmalige Weltfußballerin ähnlich hartnäckig ab - wie die Uefa jene nach der Zuschauerzahl heute.

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