Im Wohlfühlbereich in die Weltspitze

Marpingen. Trainingspläne, Leistungsdiagnostik, Betreuer, perfekt kombinierte Nahrungsergänzungen, Tempoläufe, Yoga - erfolgreiche Ausdauerläufer halten derlei für unverzichtbar. Melanie Straß nicht. Die 37-Jährige aus Winterbach geht direkt nach der Arbeit in Saarbrücken 20 Kilometer an der Saar laufen, je nach Bauchgefühl mal flink, mal langsam - Hauptsache im Wohlfühlbereich

 Melanie Straß aus Winterbach gehört zu den besten Ultraläuferinnen der Welt. Foto: Eddy hans

Melanie Straß aus Winterbach gehört zu den besten Ultraläuferinnen der Welt. Foto: Eddy hans

Marpingen. Trainingspläne, Leistungsdiagnostik, Betreuer, perfekt kombinierte Nahrungsergänzungen, Tempoläufe, Yoga - erfolgreiche Ausdauerläufer halten derlei für unverzichtbar. Melanie Straß nicht. Die 37-Jährige aus Winterbach geht direkt nach der Arbeit in Saarbrücken 20 Kilometer an der Saar laufen, je nach Bauchgefühl mal flink, mal langsam - Hauptsache im Wohlfühlbereich. Am Wochenende trifft man sie bei Volksläufen zwischen zehn Kilometern und Marathon, nicht immer an Grenzen gehend, sondern gern im Mittelfeld mit Freunden plaudernd.

Cola und Schokolade

Mit dem Sport hatte Melanie Straß erst jenseits der 30 begonnen, weil sie ihre Figur behalten und weiter alles essen wollte, was ihr schmeckt, nämlich Nudeln mit Soße und "alles, was ungesund ist, vor allem Süßes". 2008 entdeckte sie bei einem Geländelauf in Luxemburg ihre Freude an Ultra-Strecken, beim Lebacher Zwölf-Stunden-Bahnlauf katapultierte sie sich 2009 mit 117 Kilometern in die internationale Spitze. Nach einem fast schon verkorksten Wettkampfjahr 2011 gelang beim 24-Stunden-Lauf von Bad Berleburg im kalten November ein Erfolg, der die Szene aufhorchen ließ: Melanie Straß beendete das schwere Straßenrennen mit 210 Kilometern als Gesamtsiegerin.

Dass sie Anfang Juni bei der deutschen Meisterschaft in dieser Disziplin in Stadtoldendorf (Weserbergland) den Titel erringen würde, war für Experten keine Überraschung. Staunen bereitete aber die Unbeschwertheit und Freude, mit der die zierliche Athletin auf dem schweren Betonkurs 228,595 Kilometer und auf Rang zwei der Weltjahresbestenliste rannte. Straß, die sich fast nur mit Cola und Schokolade verpflegte, hatte die 200 Kilometer bereits nach etwa 20 Stunden absolviert, nahm Dampf heraus und begnügte sich ab Stunde 23 mit Gehen. Hätte sie ihr Rennen durchgezogen, wären weit über 230 Kilometer drin gewesen.

Im Nationalteam dabei bleiben

Erstmals seit Jahren greift nun eine Athletin nach dem deutschen Rekord, den die damals 51-jährige Ärztin Dr. Sigrid Lomsky 1993 aufgestellt hatte: 243,657 Kilometer. Möglicherweise erreicht Melanie Straß diese Marke schon bei der Weltmeisterschaft im September in Polen, wo sie im Nationaltrikot antritt. "Das Gefühl, etwas zu schaffen, was nur ganz wenige können" - das ist für Melanie Straß ebenso motivierend wie die Anerkennung und die Anteilnahme vieler Freunde an den Erfolgen. "Wichtig sind mir aber auch meine eigenen Leistungen. Ich will mich in der Nationalmannschaft halten und vorne mit dabei sein", erklärt die ehrgeizige, aber auch sehr bescheidene Athletin, die nie Aufhebens um ihre Person macht. Eine besondere Freude wäre es für sie, wenn sie mit einer Marpinger Frauenmannschaft einen deutschen Titel erränge.

Neben dem Ultralaufen sind in ihrem Leben Ehemann Stephan, Hund Snickers, Katze, Haus und Arbeit wichtig. Melanie Straß liebt im Urlaub Bergwandern, liest Krimis und schreibt sogar selbst Kurzgeschichten. Derzeit in Arbeit: "Wir Kinder von Kilometer 100". Ihr Rat an alle, die noch Respekt vor den langen Strecken haben: "Keine Angst, wer Marathon laufen kann, kann auch Ultra laufen!" Klingt verdammt einfach. In ihrem Fall scheint das auch so zu sein.

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