"Im Sport muss man Niederlagen akzeptieren"

Welche Chancen hat Deutschland bei der EM? Heiner Brand: Wir sind auf Augenhöhe mit den Topmannschaften, was bedeutet, dass wir jeden - mit Ausnahme von Frankreich - schlagen können, aber auch gegen jeden verlieren können. Wir müssen unsere Fehlerquote allerdings noch reduzieren, denn die gibt im Spiel von gleich starken Mannschaften den Ausschlag, wer gewinnt

Welche Chancen hat Deutschland bei der EM?

Heiner Brand: Wir sind auf Augenhöhe mit den Topmannschaften, was bedeutet, dass wir jeden - mit Ausnahme von Frankreich - schlagen können, aber auch gegen jeden verlieren können. Wir müssen unsere Fehlerquote allerdings noch reduzieren, denn die gibt im Spiel von gleich starken Mannschaften den Ausschlag, wer gewinnt. Auf die Vorrunde bezogen heißt das: Alle vier Mannschaften haben in etwa ein Niveau, man kann überhaupt nicht vorhersagen, wer weiterkommt.

Welche Stärken und Schwächen haben Sie bei den Vorrundengegnern ausgemacht?

Brand: Über Polen braucht man nichts zu sagen, sie sind Weltmeisterschafts-Dritter, haben hervorragende Individualisten und überzeugen in den vergangenen Jahren auch mannschaftlich. Dass wir bei der WM 2009 klar gegen sie gewonnen haben, bedeutet gar nichts, weil Polen einen schwarzen Tag hatte. Slowenien haben wir zwar zwei Mal in der EM-Qualifikation geschlagen, aber in die Mannschaft sind zahlreiche Routiniers zurückgekehrt - und Kiels Ex-Trainer Noka Serdarusic wird sie heiß gegen uns machen. Schweden hat seine Umbruchphase wie wir noch nicht abgeschlossen. Seit 20 Jahren gehört Schweden zur Weltspitze, und die Mannschaft verfügt über viele international erfahrene Spieler.

Haben Sie sich angesichts dieser Konstellation schon einmal Gedanken gemacht, dass die EM für Deutschland nach der Vorrunde beendet sein könnte?

Brand: Nein, solche Gedanken mache ich mir nie. Wenn die Spieler mit diesen Gedanken in ein Spiel gehen würden, wäre das Scheitern programmiert. Wir haben bei jedem Turnier gezeigt, was in uns steckt. Bei dieser EM ist alles möglich - und das gilt nicht nur für Deutschland, sondern für alle 16 Teilnehmer.

Sie haben viele junge Spieler nominiert. Ist das schon ein Fingerzeig für Olympia 2012?

Brand: Auf jeden Fall, unser Ziel ist ein erfolgreiches Abschneiden in London. Vorher gibt's aber noch einige Zwischenziele. Und wir können nicht einfach sagen: Das ist eine Übergangs-EM und das Abschneiden ist egal. Wir haben auch einen Ruf zu verteidigen.

Wie sehen Sie die Entwicklung seit dem WM-Titel 2007?

Brand: Es geht im Sport immer darum, neue Mannschaften zu formen. Und genau in der Phase stecken wir gerade. Olympia 2008 war ein Ausrutscher, der auch fehlenden Alternativen geschuldet war, schließlich waren viele Topspieler verletzt. Die WM 2009, als wir Fünfter wurden, war ein Schritt in die richtige Richtung. Die Mannschaft hat ihr Potenzial gezeigt, wir haben nur hauchdünn das Halbfinale verpasst. Nun ist der Kader wieder verändert worden. Mal sehen, wie sich die Neuen präsentieren.

Hat sich schon so etwas wie eine neue Hierarchie aufgebaut?

Brand: Ja, die Hierarchie ist anders, aber gefestigt. Natürlich zählen meine wichtigsten Ansprechpartner wie Michael Kraus, Oliver Roggisch oder Johannes Bitter zu den Routiniers. Aber die Gruppe befindet sich aber auch auf diesem Gebiet noch in der Entwicklung.

Als eine der Szenen der WM 2009 bleibt ihr Wutausbruch gegen die Schiedsrichter nach der Niederlage gegen Norwegen in Erinnerung. Werden wir Sie auch in Österreich so erleben?

Brand: Das war eine Extremsituation, die nicht gerechtfertigt war und wird nicht wieder so passieren, das habe ich versprochen. Aber: Wenn ich nicht mehr emotional auf der Bank sein darf, kann ich auch in Rente gehen.

Sie haben die junge Mannschaft angesprochen. Lastet diesmal auf Ihrer Mannschaft ein geringerer Druck, da Deutschland nicht zum Favoritenkreis zählt?

Brand: Diese Situation hatten wir auch 2009 in Kroatien schon. Wie damals haben wir dennoch einen gewissen Druck, der aus der Mannschaft kommt, teilweise aber auch aus der Erwartungshaltung. In Deutschland ist es leider oft so, dass man sofort ein Verlierer ist, wenn man keine Medaille gewinnt. Jede Niederlage ist in Deutschland gleich eine Pleite. Wenn meine Mannschaft gut spielt und dennoch verliert, ist das für mich keine Pleite. Im Sport muss man Niederlagen einfach akzeptieren, sie gehören dazu.

Bei sechs Europameisterschaften, sechs Weltmeisterschaften und drei Olympischen Spiele waren Sie Bundestrainer. Wie motivieren Sie sich immer noch?

Brand: Ich bin immer motiviert. Gerade in der jetzigen Situation, wenn es gilt, eine neue Mannschaft zu formen, steigt meine Motivation noch weiter.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort