Im Schatten von Rehm

Düsseldorf · Der Sieg des unterschenkelamputierten Weitspringers Markus Rehm bei der DM der Nichtbehinderten sorgte für Aufsehen. Einen Wettstreit zwischen behinderten und gesunden Athleten gibt es aber auch in anderen Sportarten.

Im Schatten von Behindertensport-Ausnahmeathleten wie Markus Rehm gehört die Inklusion in einer Reihe von Sportarten zum Alltag. Gehandicapte kämpfen von der Kreis- bis zur Bundesliga gegen gesunde Athleten. "Man muss sich in einer Klasse einordnen, wo die Leistungsfähigkeit zwischen Behinderten und Nichtbehinderten eine Vergleichbarkeit zulässt", sagte Frank-Thomas Hartleb, Sportdirektor des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), gestern.

Im Tischtennis ist Jochen Wollmert (49) ein Beispiel, wie ein gemeinsames Sporttreiben auf höherem Niveau möglich ist. Der dreifache Paralympics-Sieger im Einzel wechselte im Juni vom TV Mosbach zum deutschen Rekordmeister Borussia Düsseldorf . Die Rheinländer sprachen von einem tollen Coup. "Jochen Wollmert ist ein berühmtes Beispiel für gelebte Inklusion. Er wird bei uns sowohl mit Nichtbehinderten in der Verbandsliga spielen, als auch im Behindertensport in der Landesliga", sagte Borussias Geschäftsführer Jo Pörsch.

Wollmert, der von Geburt an versteifte Hand- und Fußgelenke hat, hatte zuvor auch mit Mosbach in der Badenliga und in der Oberliga gegen Nichtbehinderte gespielt. Zu seinen Teamkollegen zählte der frühere Doppel-Weltmeister Steffen Fetzner . Parallel schlug Wollmert im Behindertensport für den RBS Solingen auf und gewann zehn deutsche Mannschaftstitel. Jetzt macht sich der 49-Jährige bei der Borussia fit, um bei den Paralympics 2016 in Rio "ein Wörtchen um die Medaillen" mitzureden.

Fortgeschritten ist die Inklusion auch im Bogenschießen und bei den Sportschützen. Der Deutsche Schützenbund hat sogar beschlossen, dass Behinderte bis hin zur Bundesliga in der Kategorie Luftgewehr und Luftpistole gleichberechtigt gegen gesunde Athleten antreten können. Im Bogenschießen startete einst der Geraer Mario Oehme, Paralympics-Sieger im Team 1996 und Einzel 2004, auf Weltklasse-Ebene oft bei den Nichtbehinderten, konnte seinen Traum von einer Olympia-Teilnahme aber nicht realisieren. Das gelang 1996 der Italienerin Paola Fantato. Ergebnis: Gold bei den Paralympics sowie Platz 54 bei den Sommerspielen in Atlanta.

Im Handball machte sich der einarmige Torwart Matthias Thiemann einen Namen. Trotz der Behinderung spielte er einst in der Regionalliga für den TV Korschenbroich. Ein Beispiel, dass man mit gesunden Sportlern mithalten kann, ist auch Ex-Formel-1-Pilot Alessandro Zanardi. Bei einem Champ-Car-Unfall 2001 am Lausitzring verlor Zanardi beide Beine. Nachdem der Italiener zwischenzeitlich im Handbike bei den Paralympics Gold gewann, fährt er nach Jahren in der Tourenwagen-WM diese Saison mit einem BMW Z4 in der Blancpain-GT-Serie.

Dass das Aufsehen um Markus Rehm nach seinem Weitsprung-Coup bei den deutschen Meisterschaften der Nichtbehinderten die Inklusion vorantreibt, sieht der Verband auch zwiespältig. "Es bringt den Behindertensport in die Öffentlichkeit", meinte Hartleb, "doch sollte sich herausstellen, dass die Beinprothese einen Vorteil gebracht hat, könnte es zu einer neuen Diskussion führen." Heute fällt der Deutsche Leichtathletik-Verband die Entscheidung, ob Rehm für die EM nominiert wird. Ein erster Fingerzeig.

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