„Ich habe die Hosen voll“

Salzburg · Thomas Morgenstern kann eine tolle Karriere vorweisen. Doch der Skispringer hört mit 27 Jahren auf. Nach zwei schweren Stürzen kann sich der dreimalige Olympiasieger aus Österreich nicht mehr überwinden.

Als die Angst im Kopf gewonnen hatte, nahm Thomas Morgenstern als erstes seine Tochter in den Arm. "Lilly, du wirst mich wahrscheinlich nie bewusst Skispringen sehen", sagte der Österreicher der Einjährigen. Am Freitag teilte der dreimalige Olympia-Sieger dann auch dem Rest der Welt mit: "Ich ziehe einen Schluss-Strich, ich trete zurück."

Am Ende war die Angst zu groß. Die Angst vor einem Windstoß, der Höhe, einem weiteren Horror-Sturz. "Wenn du auf dem Balken sitzt und denkst, dass die Bindung aufgehen könnte, sind das schlechte Voraussetzungen", erklärte der 27-Jährige. Und Morgenstern ergänzte: "Ich habe eine tolle Karriere hinter mir, und ich möchte, dass die positive Erinnerungen überwiegen."

Das Skispringen verliert mit "Morgi" eine seiner beliebtesten Figuren. "Große Hochachtung für diese Entscheidung. Großer Verlust für unseren Sport", erklärte der deutsche Skiflug-Weltmeister Severin Freund . Auf Morgensterns Internetseite gab es in kürzester Zeit unzählige Einträge. "Skispringen ohne dich ist wie Winter ohne Schnee ", schrieb ein Fan.

Doch von Schnee , vor allem im Gesicht, hat Morgenstern genug. In der vergangenen Saison war er zwei Mal schwer gestürzt. Nach dem letzten Sturz im vergangenen Januar lag er mit einer Schädelverletzung und einer Lungenquetschung vier Tage lang im Krankenhaus auf der Intensivstation. Er schaffte es aber dennoch zu den Olympischen Spielen in Sotschi. Dort holte das Stehaufmännchen mit der Mannschaft Silber hinter Deutschland.

Danach hatte Morgenstern immer wieder angedeutet, die Stürze nicht vollständig verarbeitet zu haben. "Ich habe erst vier Sprünge auf der Großschanze gemacht", sagte der 27-Jährige im vergangenen September, "und mir die Anlagen ausgesucht, auf denen in punkto Windanfälligkeit keinerlei Gefahr herrscht. Ich habe aber trotzdem noch die Hosen voll, wenn ich oben stehe. Wenn's schief läuft, kann halt viel passieren."

Schon 2013 hatte Morgenstern, der 2003 im Alter von 16 Jahren seinen ersten Weltcup gewann, Rücktrittsgedanken gehegt. Nach der Geburt seiner Tochter und der Trennung von seiner Langzeitfreundin Kristina tauchte sein Name häufiger auf Boulevard- statt auf Sportseiten auf, hinzu kamen Verletzungen. "Eine schwierige Zeit", gab er zu, fand aber doch den Weg zurück auf die Schanze.

Der ist nun, nach einer bemerkenswerten Karriere , zu Ende. Morgenstern gewann bei den Olympischen Winterspielen 2006 auf der Großschanze und mit der Mannschaft Gold. Bei den Spielen 2010 triumphierte er erneut mit der Mannschaft. Bei Weltmeisterschaften holte er acht Titel, 2011 gewann er die Vierschanzentournee. Wie es nun weitergeht, ließ Hobby-Pilot Morgenstern offen. Er freue sich auf sein Privatleben, auf mehr Zeit mit Tochter Lilly und seinen Eltern. Seine Mutter Gudrun war heilfroh. "Die wird vor lauter Freude vor dem Fernseher im Kreis laufen, dass in meiner Karriere alles gut ausgegangen ist", sagte Morgenstern.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort