"Hut ab vor Sebastian"

Heppenheim. "Die romantische Kreis-, Wein- und Festspielstadt Heppenheim an der Bergstraße ist immer eine Reise wert", heißt ein Werbeslogan. Um dessen Bestätigung musste man nicht unbedingt die alten Römer bemühen - obwohl diese schon den Reiz der Landschaft und der Stadt schätzten

Heppenheim. "Die romantische Kreis-, Wein- und Festspielstadt Heppenheim an der Bergstraße ist immer eine Reise wert", heißt ein Werbeslogan. Um dessen Bestätigung musste man nicht unbedingt die alten Römer bemühen - obwohl diese schon den Reiz der Landschaft und der Stadt schätzten. War bis vor einem dreiviertel Jahr dieses südhessische Städtchen überwiegend Weinliebhabern und Festivalbesuchern eine Reise wert, so ist Heppenheim heute über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Und weltweit bekannt unter Formel 1-Fans. Sie verbinden Heppenheim mit einem Namen: Sebastian Vettel. Seit jüngstem hängt stadteinwärts unter dem offiziellen Ortsschild ein Schild mit dem Hinweis "Vettelheim".Noch kein Ehrenbürger"Wer hätte gedacht, dass unser Sebastian mit seinem Namen für seine Geburtsstadt einmal einen ähnlichen Effekt wie Boris Becker mit seiner Heimatstadt auslöst? Wer hat denn vorher schon Leimen gekannt?", sagt Bürgermeister Gerhard Herbert im Gespräch mit unserer Zeitung. "Natürlich sind wir stolz, dass wir dank Sebastian heute einen Popularitätsaufschwung erleben dürfen", freut sich der Kommunalpolitiker. Ob er denn Sebastian Vettel näher kennt? "Ja, ja", sagt Herbert, "durch meinen Sohn Maximilian, der in der Parallelklasse war. Ein ehrgeiziger Junge, der zielstrebig und konsequent über Jahre hinweg durchgezogen hat, was er vorhatte: Rennfahrer zu werden. Alle Achtung, wie er das neben der Schule geschafft hat. Er hat immerhin ein akzeptables Abitur (Note 2,8, Anmerk. d. Red.) gemacht." Heute bewundert das Stadtoberhaupt seinen berühmten Bürger ob seiner Fähigkeiten als Rennfahrer. "Hut ab vor Sebastian. Es ist einfach phänomenal zu beobachten, wie hochkonzentriert er zur Sache geht." Beeindruckt ist der Motorsportfan Gerhard Herbert von der Lockerheit Vettels, "die ihn so sympathisch macht. Er ist nicht so verbissen, wie es manch anderer Rennfahrer ist oder war, vor allem aber ist Sebastian bis jetzt auf dem Boden geblieben. Er ist Realist genug, nicht abzuheben. Und der Jetset ist auch nicht sein Ding." Um Ehrenbürger seiner Geburtsstadt zu werden, muss sich Sebastian aber noch gedulden. Der Bürgermeister erinnert an Michael Schumacher, "der erst nach seiner vierten WM zum Ehrenbürger Kerpens ernannt wurde". Aber immerhin ist Sebastian Vettel heute der jüngste "Sohn der Stadt" und steht mit diesem Titel auf einer Stufe mit Musiker und Komponist Franz Lambert.Derzeit wäre der Bürgermeister schon erfreut, würde Vettel seine Einladung zu einem offiziellen Empfang "im Namen des Magistrats der Kreisstadt und nicht zuletzt im Namen aller Heppenheimer" annehmen und sich ins Goldene Buch der Stadt eintragen. Nach jedem seiner drei Siege gratulierte das Stadtoberhaupt in einem Brief. Ob das auch am Sonntag der Fall sein wird? "Ich würde es gerne tun, aber ein Heimrennen ist so eine Sache", grübelt Herbert.Apropos Heimrennen: Gar nicht gut zu sprechen ist der Bürgermeister auf das Land Baden-Württemberg. "Das ist schon stinkig, was die machen. Das Land lässt die Stadt Hockenheim hängen. Dabei wirft der Formel 1-Zirkus jede Menge Profit ab. Es kann nicht sein, dass die einen kassieren und die anderen bezahlen. Hockenheim, von Heppenheim gerade mal 20 Kilometer entfernt, ist unser Heimrennen. Es wäre schade, wenn ein Rennfahrer unserer Stadt bei seinem echten Heimrennen in Zukunft nicht antreten könnte."An den Stammtischen hört man nicht nur alles über den jungen Vettel, bei einem bekannten "Bergsträßer" Wein sieht und schmeckt der Gast auch, was dem Rennfahrer zur Ehre gereichen soll: der Vettel-Teller, optischer und kulinarischer Genuss - nicht nur für Vettel-Fans. Im Gasthaus "Am Stadtgraben" servieren Wirt Adi Dörsam und seine Frau Roswitha seit Vettels erstem Sieg in Monza 2008 den inzwischen berühmten Verzehr. Wirtin Roswitha erklärt den Vettel-Teller: "Eine Bratwurst wird aufgeteilt in vier Räder, die gesteckt an zwei Spieße zwei Achsen bilden. Auf den Achsen liegt ein Schweinesteak mit Pommes-Asphalt. Ein Radieschen auf dem Steak symbolisiert den Fahrerhelm." "Beflügelt" wird der Teller von einer Dose Red Bull. Menü-Preis: 7,90 Euro.Besser als Schumacher? Den gleichen Teller gibt es zum Verzehr auch in der Stadiongaststätte "Sportlerland", in der die Fans sonntags beim "Public Viewing" auf einer Großbildleinwand mit "ihrem" Sebastian zittern. Jüngste Kreation ist ein kleiner Formel 1-Bolide aus Marzipan, den ein Konditor als Nachspeise für den Vettel-Fan-Club zubereitet. Dessen Beauftragter Günther Rau ist derzeit dabei, einen gemeinnützigen Verein ins Leben zu rufen. "Noch stehen wir am Anfang. Hier im konservativen Heppenheim dauert alles etwas länger als sonstwo", erklärt der 57-Jährige und gibt uns eine Handy-Nummer (0175/2261700) nur für Vettel-Fan-Club-Mitglieder und solche, die es werden wollen. Dann bekennt Günther Rau: "Ich weiß eigentlich wenig über unseren Sebastian, aber er ist ein symphatischer Kerl, sehr ehrgeizig und zielstrebig. Er weiß, wo er herkommt. Und er weiß, was er kann." Und dann stellt der Vettel-Fan einen Vergleich an: "Michael Schumacher war gut, aber Sebastian Vettel ist besser." "Es ist phänomenal zu beobachten, wie konzentriert er zur Sache geht."Gerhard Herbert, Bürgermeister von Heppenheim

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