Höhepunkt auf die "alten Tage"36 deutsche Starter und eine Hand voll Medaillenkandidaten

Saarbrücken. "Ich fahre nach Paris!!!" Vier Worte, drei Ausrufezeichen - das schrieb Larissa Kettenis am vergangenen Sonntag an ihre Pinnwand im Internet im sozialen Netzwerk "Facebook". In Großbuchstaben, wohlgemerkt. Alleine das beschreibt schon die Gefühlslage der 28 Jahre alten Leichtathletin des SV schlau.com Saar 05 Saarbrücken

 Stolz zeigt Saar-05-Athletin Larissa Kettenis ihre bei den deutschen Hallenmeisterschaften am vergangenen Wochenende in Leipzig gewonnene Bronzemedaille über 400 Meter. Foto: Hensel

Stolz zeigt Saar-05-Athletin Larissa Kettenis ihre bei den deutschen Hallenmeisterschaften am vergangenen Wochenende in Leipzig gewonnene Bronzemedaille über 400 Meter. Foto: Hensel

Saarbrücken. "Ich fahre nach Paris!!!" Vier Worte, drei Ausrufezeichen - das schrieb Larissa Kettenis am vergangenen Sonntag an ihre Pinnwand im Internet im sozialen Netzwerk "Facebook". In Großbuchstaben, wohlgemerkt. Alleine das beschreibt schon die Gefühlslage der 28 Jahre alten Leichtathletin des SV schlau.com Saar 05 Saarbrücken. "Keiner hat mit mir gerechnet", nennt Kettenis einen Grund für ihre riesige Freude, die auch vier Tage nach ihrer Bronzemedaille bei der deutschen Hallen-Meisterschaft in Leipzig über 400 Meter spürbar ist. Die Belohnung für Platz drei und ihre Zeit von 53,59 Sekunden: Kettenis wurde vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) für die 4x400-Meter-Staffel nominiert, die am Sonntag bei der Hallen-Europameisterschaft in Paris vielleicht sogar um Edelmetall mitrennen kann.Es wird ihr erster Auftritt bei den "Erwachsenen" im Trikot der deutschen Nationalmannschaft bei einer internationalen Meisterschaft sein - im stolzen Alter von 28 Jahren. Ungewöhnlich im Leistungssport - und noch ungewöhnlicher in der Leichtathletik.

Aber wie kommt es, dass die Spätberufene erst jetzt plötzlich durchstartet, am Sonntag in der Halle so schnell lief wie nie zuvor im Freien? Um das zu erklären, muss man den Werdegang der Püttlingerin betrachten. Talentiert war sie schon immer. Sie trainierte bei Trainer Werner Schorr - und gehörte regelmäßig zu den guten im Land. Aber nie zu den besten. Nicht, dass sie nicht das Zeug dazu gehabt hätte - nein. Aber zum einen "war immer irgendwas", sagt Kettenis und spielt auf Verletzungen und Krankheiten an. Heuschnupfen, Pfeiffer'sches Drüsenfieber, Achillessehnen-Operation. Zum anderen kümmerte sich Kettenis konsequent um ihre Ausbildung, studierte Jura und Sport. So konsequent, dass sie gerade am Sportwissenschaftlichen Institut der Universität des Saarlandes bei Professor Georg Wydra ihre Doktorarbeit schreibt.

"Dass ich mit Laufen nicht meinen Lebensunterhalt verdienen kann, ist doch klar. Außerdem gibt es andere schöne Dinge, als immer nur im Kreis zu laufen", sagt Kettenis, "ich habe hier an der Sportschule derzeit das optimale Umfeld. Alle Mosaiksteinchen passen zusammen". Und zwar so gut, dass sie es als einzige Nicht-Kader-Athletin des DLV in das Aufgebot für Paris geschafft hat. Unter der Woche bekam sie ihre ersten Nationalmannschafts-Klamotten - "ich hatte ja keine", sagt sie und lacht. Deswegen ist die Antwort auf die Frage, auf was sie sich am meisten freut in Paris, so einfach wie logisch: "Mit dem Deutschland-Trikot auf der Bahn zu stehen und dann alles zu geben - das ist ein Traum."Paris. Stabhochspringer Tim Lobinger erwartet ein "Hauen und Stechen", Hochspringerin Marie-Laurence Jungfleisch will in ihrer Geburtsstadt "einfach Spaß haben". Den Altmeister der deutschen Leichtathleten hatte keiner mehr auf dem Zettel, für das Küken in der Mannschaft ist die Hallen-Europameisterschaft in Paris dagegen die erste internationale Bewährungsprobe. Lobinger ist mit 38 der älteste deutsche Starter. Hochsprung-Hallenmeisterin Jungfleisch wird am 7. Oktober erst 21 Jahre alt.

Nach dem Startverzicht von Sprint-Europameisterin Verena Sailer (Rückenprobleme) und ihrem Disziplinkollegen Tobias Unger (Muskelverhärtungen) schickt der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) 36 Athleten zu den von heute bis Sonntag stattfindenden Titelkämpfen an die Seine. Auf dem Sprung ist auch wieder Sebastian Bayer - der einzige Titelverteidiger in der deutschen Mannschaft. Sein Super-Flug auf 8,71 Meter hatte die Weitsprung-Konkurrenz vor zwei Jahren in Turin geschockt. Mit 8,02 Metern wurde Bayer am vergangenen Wochenende in Leipzig deutscher Hallenmeister. Ein Mutmacher. Nun will der Freund von Hürdenflitzerin Carolin Nytra wieder angreifen: "Das Ziel für Paris ist, um die Medaillen zu springen."

Ein Platz auf dem Treppchen ist auch für die Kugelstoßer Ralf Bartels und David Storl sowie Hochspringer Raul Spank drin. Carolin Nytra war 2009 in Turin im Halbfinale ausgeschieden - in Paris will die Europameisterschafts-Dritte von Barcelona wieder eine Medaille holen. Lobinger dagegen kann sich allein schon das unverhoffte EM-Ticket einrahmen. Er war in Leipzig mit 5,60 Metern Vize-Meister - und hatte die EM-Norm verpasst. Weil er aber unter den Top zwölf in Europa ist, nahm ihn der DLV nun trotzdem mit. dpa

"Alle Mosaiksteine passen zusammen."

Larissa Kettenis

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