Historischer Doppelpack

Köln · Patrick Herrmann steht heute vor seinem Debüt in der A-Nationalmannschaft. Da auch Jonas Hector zum Einsatz kommen dürfte, werden erstmals seit 1977 wieder zwei Saarländer im A-Team auf dem Platz stehen.

Im Prinzip ist es nur ein Freundschaftsspiel zwischen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und den USA heute Abend (20.45 Uhr/ARD ) im Rhein-Energie-Stadion in Köln . Aus saarländischer Sicht kann es aber viel mehr werden als nur ein normaler Test. Erstmals seit 38 Jahren besteht die Chance, dass mit Patrick Herrmann aus Uchtelfangen und Jonas Hector aus Auersmacher zwei Saarländer gleichzeitig im Trikot der A-Nationalmannschaft auf dem Platz stehen.

Das gab es zuletzt im Jahr 1977 beim Spiel zwischen Deutschland und der Schweiz, als Klaus Fischer beim 4:1-Sieg in Stuttgart per Fallrückzieher das Tor des Jahrhunderts schoss. Damals standen mit Torhüter Bernd Franke und Stürmer Wolfgang Seel zwei Saarländer auf dem Platz. "Das hatten wir damals gar nicht wirklich realisiert. Wolfgang hat mich irgendwann in den Achtzigern mal gefragt, ob ich wüsste, dass wir 1977 eigentlich Historisches geschafft hatten", blickt Franke zurück.

Seel war die außergewöhnliche Saarland-Kombo auch erst Jahre später aufgefallen. "Das war damals in den Medien und auch bei uns Spielern gar kein Thema. Wir haben einfach unser Ding gemacht", erinnert sich der 66-jährige Seel, der gemeinsam mit dem 67-jährigen Franke heute zu Gast in Köln ist und auf das nächste Saarland-Doppel in der Nationalmannschaft hofft.

Hector und Debütant Herrmann können es schaffen und haben, wenn man den Worten von Bundestrainer Joachim Löw Glauben schenkt, sehr gute Karten. Hector, der für den 1. FC Köln in der abgelaufenen Bundesliga-Saison in 33 von 34 Partien jede Minute auf dem Platz stand, spielte in den beiden vergangenen Länderspielen von Beginn an. "Also ich fühle mich bei weitem noch nicht als Stammspieler. Ich würde mal sagen, dass ich einen Fuß in die Tür gesetzt habe. Jetzt muss ich mich beweisen. Für mich ist die Nationalmannschaft immer wieder ein Riesenerlebnis", sagt der 25-Jährige, den Löw vor allem aufgrund seines hervorragenden taktischen Verhaltens auf dem Platz schätzt. "Ich habe immer schon großen Wert auf die Organisation auf dem Platz gelegt und nicht nur auf das Toreschießen. Mit 19 Jahren habe ich den Trainerschein gemacht, das hat damit wohl auch etwas zu tun", sagt der Linksverteidiger.

Bei Patrick Herrmann steht dagegen das schnelle Flügelspiel und das Toreschießen absolut im Vordergrund. Für Borussia Mönchengladbach hat der 24-Jährige in der abgelaufenen Saison in 32 Spielen elf Tore erzielt und ist damit einer der stärksten deutschen Mittelfeldspieler. 2013 stand Herrmann beim Spiel gegen Kasachstan schon einmal im Aufgebot, kam aber nicht zum Einsatz. "Er hat sich im vergangenen Jahr gut entwickelt. Zu seiner Schnelligkeit ist einiges dazugekommen: Umkehrspiel, Organisation, Torgefährlichkeit. Er kann auch bei der EM nächstes Jahr in Frankreich eine Rolle spielen. Er hat sich eine neue Chance verdient", sagt Löw über Herrmann. Der Uchtelfanger hat wegen den anstehenden Länderspielen gegen die USA und Gibraltar in der EM-Qualifikation seinen Urlaub verschoben und Ex traschichten mit Gladbachs Physiotherapeut Andreas Bluhm geschoben. "Ich bin älter und reifer geworden und habe mir gesagt, zieh ein bisschen mehr ab und versuch öfter zu schießen. Es hat geklappt", sagt Herrmann, dem genau wie Hector nicht bewusst war, dass in Köln ein historischer Moment für den Saar-Fußball bevorsteht.

"Vielleicht treffen wir nach dem Spiel ja Wolfgang Seel und Bernd Franke, das wäre toll", sagt Hector. Wie für Saarländer üblich wäre es ja nicht das erste Mal, dass man sich irgendwo begegnet. Seel war übrigens bereits Stützpunkt-Trainer des kleinen Jonas, und der kleine Patrick kam immer die Altherren-Spiele in Uchtelfangen gucken, als sein Vater und Bernd Franke gemeinsam auf dem Platz standen. Saarland halt.

Ein echtes Freundschaftsspiel


Die Trainer Löw und Klinsmann demonstrieren ihre große Verbundenheit

Heute trifft Bundestrainer Joachim Löw auf die USA mit seinem Freund und Trainer-Vorgänger Jürgen Klinsmann. Gestern stellten sich beide zusammen auf einer Pressekonferenz - ein eher seltenes Vorgehen.

Am Ende ihrer ersten gemeinsamen Pressekonferenz sollten sich Jürgen Klinsmann und Joachim Löw für die Fotografen die Hände schütteln - doch das war dem US-Trainer zu förmlich. Beherzt packte Klinsmann Löw an der Schulter, dieser erwiderte die Umarmung. Nicht erst in diesem Moment wurde klar: Es wird auf den Tag genau ein Jahr vor dem Start der EM 2016 im wahrsten Sinne ein Freundschaftsspiel werden zwischen Deutschland und den USA.

Der sportliche Ehrgeiz ist davon aber nicht betroffen. Und so ärgerte sich der heutige Bundestrainer Löw vor dem dritten Duell innerhalb von zwei Jahren mit seinem Ex-Chef und Vorgänger über die anfangs all zu lasche Einstellung seiner aus dem Urlaub zurückgekehrten Stars. "Ich musste die Spieler erst einmal dran erinnern, dass wir auf Spannung kommen müssen", sagte Löw, "wir müssen die Seriosität haben, das Spiel durchzuziehen."

Gegen Klinsmanns US-Boys und drei Tage später im EM-Qualifikationsspiel gegen Fußball-Zwerg Gibraltar in Faro/Portugal (20.45 Uhr/RTL) geht es um einen würdigen Abschluss der alles andere als glänzend verlaufenen ersten Saison als Weltmeister. Doch als echter Freund sprang Klinsmann, der sich mit Löw 40 Minuten gut gelaunt der Presse stellte, dem Bundestrainer zur Seite. "Dass hier und da ein kleiner Hänger kommt nach so einer WM, ist mehr als menschlich", äußerte der 50-Jährige: "Aber alle haben jahrelang versucht, diese Jahrhundertmannschaft Spanien vom Sockel zu stoßen. Und jetzt ist Deutschland auf dem Podest. Egal wohin ich reise auf der Welt: Alle reden bewundernd über Jogi und seine Truppe." Löw lobte zurück, dass man Klinsmann, der beide Hymnen singen wird, "immer dankbar" sein werde. Er habe "wichtige Dinge eingeleitet, die heute noch Bestand haben. Ich glaube nicht, dass wir diese erfolgreiche Phase sonst hätten haben können".

Doch bei aller Freundschaft weiß Löw auch um den sportlichen Ehrgeiz Klinsmanns, der mit dem US-Team am Samstag 4:3 beim WM-Dritten Niederlande gewann und Löw vor zwei Jahren schon einmal mit einer 3:4-Niederlage in die Ferien schickte. Doch aufgrund der Umstände will Löw dem Test heute Abend auch keine überbordende Bedeutung zusprechen. Schließlich hat er Manuel Neuer , Toni Kroos , Thomas Müller oder Jerome Boateng Urlaub zugebilligt und wird unter anderem mit einer "Bubi-Abwehr" mit durchschnittlich 23,25 Jahren und der Erfahrung von 5,5 Länderspielen spielen müssen. André Schürrle und Erik Durm sind zudem angeschlagen, Sami Khedira traut Löw nach den wenigen Einsätzen in den vergangenen Monaten keine 90 Minuten zu.

Schwere Voraussetzungen also gegen die auf Rang 27 der Weltrangliste gekletterten US-Kicker, die sich zudem auf die Titelverteidigung beim Gold Cup vorbereiten (ab dem 7. Juli in den USA und Kanada) und deshalb in einer ganz anderen Spannungsphase befinden. "Ich habe aufgehört, zu viel an einzelnen Spielen festzumachen", kündigte Löw deshalb auch schon mal an: "Ich ziehe Schlüsse aus allen Spielen, aber man sollte die Erwartungen an einzelne Spieler nach dieser langen und Kräfte raubenden Saison nicht zu hoch hängen."

Zum Thema:

Auf Einen BlickDeutschland gegen USA - die voraussichtliche Aufstellung: Deutschland: Weidenfeller (Bor. Dortmund/34 Jahre/4 Länderspiele ) - Rudy (Hoffenheim/25/7), Rüdiger (VfB Stuttgart /22/5), Mustafi (FC Valencia /23/7), Hector (1. FC Köln /25/3) - Khedira (Real Madrid /28/54), Gündogan (Dortmund/24/9) - Herrmann (Bor. M'gladbach/24/0), Götze (Bayern/23/43), Podolski (Inter Mailand /30/123) - Kruse (Bor. M'gladbach/27/11). - USA: Guzan (Aston Villa /30/29) - Chandler (Eintr. Frankfurt/25/29), Alvarado (CF America/22/4), Brooks (Hertha BSC/22/11), Yedlin (Tottenham/21/16) - Johnson (M'gladbach/27/31), Bradley (Toronto/27/97), Beckerman (Salt Lake/33/44), Morales (Ingolstadt/25/9) - Agudelo (New England/22/19), Zardes (LA Galaxy/23/6). - Schiedsrichter: Makkelie (NED). dpa

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