Hertha BSC sorgt für einen Transfer-Coup

Berlin. Streng genommen hat Otto Rehhagel gleich bei seiner ersten Amtshandlung für Hertha BSC eine strikte preußische Tugend nicht eingehalten: Um 13.09 Uhr, also neun Minuten später als geplant, erschien er gestern zu seiner offiziellen Präsentation als neuer Cheftrainer beim krisengeschüttelten Bundesliga-Aufsteiger

Berlin. Streng genommen hat Otto Rehhagel gleich bei seiner ersten Amtshandlung für Hertha BSC eine strikte preußische Tugend nicht eingehalten: Um 13.09 Uhr, also neun Minuten später als geplant, erschien er gestern zu seiner offiziellen Präsentation als neuer Cheftrainer beim krisengeschüttelten Bundesliga-Aufsteiger. Mit markigen Worten hatte Otto Rehhagel sein Engagement bei Hertha BSC via "Bild am Sonntag" angekündigt. Er sei ab Montag Tag und Nacht für Hertha da - "und zwar immer pünktlich. Ich bin ein Vorreiter und erwarte Ordnung und Disziplin. Ich bin ein Preuße. Oder auch ein demokratischer Diktator".Auf der Pressekonferenz gestern schlug Rehhagel einen moderateren Ton an. "Hertha ist ein besonderer Reiz für mich", sagte er den 15 Kamerateams und mehr als 50 Journalisten. "Ich habe mal von einem Künstler gehört: Ein Leben ist viel zu kurz", erläuterte Rehhagel: "Und so lange ich lebe, will ich Spannung haben. Deshalb habe ich es auch gemacht. Ich will, dass Berlin in der Bundesliga bleibt." Und deshalb habe er auch nur eine Nacht über das Angebot von Hertha nachgedacht und dann nach Rücksprache mit seiner Frau zugesagt.

Rehhagel sieht sich als "Spiritus rector", als führender Geist, der immer noch fit sei für die Anforderungen an einen Bundesliga-Trainer und auch von den jungen Trainerkollegen Rene Tretschok und Ante Covic, die mit ihm zusammen die Profi-Mannschaft betreuen werden, etwas lernen könne. Aber selbstverständlich machte er auch klar: Sie können auch von mir etwas lernen.

Herthas Manager Michael Preetz hat mit der Verpflichtung Rehhagels in der Hauptstadt alle überrascht - und nicht ganz ohne Stolz in der Stimme sagte er am Samstag nach der 0:1 (0:0)-Niederlage gegen Borussia Dortmund: "Man hat ja alle möglichen Trainer ins Spiel gebracht. Aber auf Rehhagel ist keiner gekommen." Vor über zwölf Jahren hatte Rehhagel zuletzt eine Bundesliga-Mannschaft, den 1. FC Kaiserslautern, trainiert. Im Jahr 2001 übernahm Rehhagel die Nationalmannschaft Griechenlands - und feierte mit ihr 2004 den Gewinn der Europameisterschaft. Es wirkte so, als hätte Otto Rehhagel das Bundesliga-Geschäft hinter sich gelassen.

Was die Verpflichtung zudem als "Transfer-Coup" erscheinen ließ, war die Tatsache, dass Preetz bislang eher unscheinbare Lösungen präsentierte. Wie Michael Skibbe. "Wir brauchen jemanden, an dem sich die Spieler aufrichten können", sagte Preetz. Der Respekt vor dem Trainer-Urgestein scheint jedenfalls groß. Eine Ehre sei es, mit diesem Mann zusammenzuarbeiten, sagten Tretschok und Stürmer Pierre-Michel Lasogga.

Nun hat Rehhagel zwölf Spiele Zeit, die Berliner vorm Abstieg zu retten. "Und sollten wir es nicht schaffen, dann hat es eben nicht gereicht", meinte Rehhagel. Ob er Angst um seine Reputation bei einem Scheitern seiner Mission habe? Offenbar nicht. "Was ich gewonnen habe, kann mir keiner wegnehmen", sagte Rehhagel. Michael Preetz muss bei diesen Worten ein kleiner Schauer den Rücken herunter gelaufen sein. Hängt doch vom Klassenverbleib nicht nur das Schicksal der Berliner Hertha ab, sondern auch sein eigenes. dapd

"So lange ich lebe, will ich Spannung haben."

Otto Rehhagel

Meinung

Experiment kann gut gehen

Von SZ-RedakteurStefan Regel

Da ist der Hertha ja mal ein echter Coup gelungen. Statt über die Serie von elf sieglosen Spielen wird nur über König Otto gesprochen. Die Bosse um Manager Michael Preetz haben das, was sie am meisten brauchen: eine Atempause. Es wird spannend, wie Disziplin-Fanatiker Rehhagel mit den zwei bis drei Generationen jüngeren und gerne auch unterarmtätowierten Berliner Spielern zurechtkommt. Schön, dass die Bundesliga Rehhagel wieder hat. Das bis zum Sommer befristete Experiment kann durchaus gut gehen, so hat ja auch Udo Lattek 2000 mit einem "Kurzeinsatz" Borussia Dortmund vor dem Abstieg gerettet. Ein 73-Jähriger muss kein schlechterer Trainer als ein 43-Jähriger sein. Wäre es nicht schön, wenn auch wir als Rentner noch so begehrt sind wie Otto Rehhagel? Wie sagte der einst: "Es gibt keine jungen oder alten Spieler - es gibt nur gute und schlechte."

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