Herrmanns späte Genugtuung

Sotschi · Im Sprint soll heute die Stunde von Denise Herrmann schlagen. Die Blondine aus Oberwiesenthal ist die einzige deutsche Läuferin von Weltklasse-Format – dabei stand ihre Karriere bereits vor dem Ende.

In der Wunderwelt Olympia kommt Denise Herrmann kaum aus dem Staunen heraus. "Ich habe versucht, alle Emotionen, alles rund um die Spiele aufzunehmen", sagt die Skilanglauf-Senkrechtstarterin. Die olympische Findungsphase soll spätestens heute abgeschlossen sein, wenn die 25-Jährige im Sprint der Konkurrenz gewohnt forsch und frech die Hacken zeigen will.

In der kränkelnden deutschen Langlauf-Szene ist die Aufsteigerin die positivste Erscheinung und größte Medaillen-Hoffnung. Vor Saisonbeginn hatte Herrmann noch keine einzige Podestplatzierung auf dem Konto, im olympischen Winter gab es sechs; obendrein die Führung im Sprintweltcup und die Rolle der Mitfavoritin.

"Natürlich habe ich eine gewisse Erwartungshaltung", sagt Herrmann: "Ich weiß aber auch, dass beim Sprint alles passieren kann, positiv wie negativ." Das Rezept der Blondine heißt deshalb: "Einfach cool und bis zur letzten Minute locker bleiben. Ich versuche, das als ganz normales Rennen anzusehen. Denn wenn man es besonders gut machen will, geht es meistens in die Hose."

Im Vorfeld der Winterspiele schlug Herrmann sämtliche Sprintgrößen von Marit Björgen bis zu Kikkan Randall mindestens einmal. Dass sie mittlerweile auf Augenhöhe mit der Elite sprinten kann, empfindet die Aufsteigerin als Genugtuung: "Es ist extrem schön, dass ich endlich die Früchte jahrelanger Arbeit ernte - nach den ganzen Tiefen und den Steinen, die im Weg lagen." Am mächtigsten Stein wäre sie als Teenager fast gescheitert.

2007 drohte ihrer Karriere das frühe Aus, Auslöser waren ein Erkältungsanflug und die überstürzte Einnahme eines Hustensaftes. "Der hatte in der Hausapotheke meiner Eltern gestanden. Nie hätte ich damit gerechnet, dass ein verbotener Wirkstoff darin ist", sagte Herrmann damals.

Kurz darauf standen Doping-Kontrolleure vor der Tür, der Test fiel positiv auf Clenbuterol aus. Der Verband sperrte die Nachwuchs-Hoffnung für ein Jahr - ein potenzieller K.o.-Schlag für eine junge Läuferin. Herrmann aber kehrte zurück, "dank des richtigen Umfelds - Familie, Freund, Teamkollegen. Und im Nachhinein macht einen das immer stärker."

Stark machte sie auch der Wechsel ihres Trainings-Mittelpunktes von Oberwiesenthal nach Ruhpolding. "Das ist eine wunderschöne Gegend", sagt Herrmann: "Aber auch die starken Teamkollegen wie Steffi Böhler und Josef Wenzl geben einen täglichen Schub."

Wenzl ist das zweite heiße Eisen, das die deutschen Langläufer heute im Sprintfeuer haben. Wie Herrmann führt der Niederbayer im Weltcup, mit markigen Worten hält sich der 29-Jährige aber zurück: "Ich hoffe auf einen guten Wettkampf. Mit einem Top-15-Ergebnis wäre ich zufrieden." Denise Herrmann sicher nicht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort