Schwimm-WM in Budapest Heintz und der Ketchup-Flaschen-Effekt

Budapest · Der Heidelberger ist über die 200 Meter Lagen die größte deutsche Titelhoffnung bei der Schwimm-WM in Budapest.

 Lagenspezialist Philip Heintz hat sich mit seinem deutschen Rekord bei der DM in Berlin vor fünf Wochen in die Favoritenrolle bei der WM geschwommen.

Lagenspezialist Philip Heintz hat sich mit seinem deutschen Rekord bei der DM in Berlin vor fünf Wochen in die Favoritenrolle bei der WM geschwommen.

Foto: dpa/Jens Büttner

Philip Heintz macht sich gerne einmal einen Scherz daraus, dass er (fast) wie eine bekannte Ketchup-Sorte heißt. Der Schwimmstar grinst zum Beispiel als Ketchup-Flasche verkleidet von seinem Profilbild beim Nachrichtendienst Whatsapp, und irgendwie ist das auch symbolisch gemeint. Bei Heintz läuft es, nachdem er lange auf seinen Durchbruch warten musste. Der berühmte Ketchup-Flaschen-Effekt.

„Dass ich jetzt so durchstarte, kommt für mich nicht so überraschend. Ich habe ja lange drauf gewartet“, sagt der Heidelberger. Bei der Weltmeisterschaft in Budapest startet der Lagenschwimmer am morgigen Mittwoch über 200 Meter als deutscher Rekordhalter, als Weltjahresbester, ja sogar als Goldkandidat. „Er ist unser heißestes Eisen im Feuer“, meint der deutsche Bundestrainer Henning Lambertz.

Ob er will oder nicht: Heintz ist nach den zuletzt schwachen Leistungen von Weltmeister Marco Koch und dem Rücktritt von Weltrekordler Paul Biedermann die neue Nummer eins im deutschen Mini-Team. Um mit dieser großen Erwartungshaltung klar zu kommen, arbeitet der 26-Jährige mit einem Psychologen. „Es ist etwas Neues, wenn man als Medaillenkandidat gilt“, sagt Heintz. Die Arbeit trage Früchte: „Wenn ich rausgehe, bin ich hundertprozentig der Meinung, dass ich es schaffe.“

Um nicht zu sehr abzuheben, redet sich der Kurzbahn-Vizeweltmeister zugleich ein, „dass ich nicht fit bin und dass es kein Selbstläufer wird“. Auf seine Konkurrenten wirkt er deswegen wenig angsteinflößend. „Ich sehe vor den Rennen eher wie ein Schluck Wasser in der Kurve aus“, sagt Heintz: „Sollen sie mich ruhig unterschätzen.“

Mit dieser seltsamen Mischung aus Selbstzweifeln und Selbstvertrauen hat der gebürtige Mannheimer im vergangenen Jahr eine wahre Leistungsexplosion erlebt. Seinen deutschen Rekord beim sechsten Platz im Olympia-Finale hat Heintz bei den deutschen Meisterschaften vor fünf Wochen in Berlin um rund 1,5 Sekunden nach unten gedrückt – im Schwimmsport ist das eine Welt.

Anfangs hatte er starke Bedenken, ob er diese Form halten kann. Die Trainingsergebnisse geben aber Anlass zur Hoffnung. Schwimmt Heintz in Budapest auch nur annähernd an die Zeit heran, ist sogar der WM-Sieg möglich. Und das würde dem deutschen Schwimmsport nach den vielen Enttäuschungen einen riesigen Auftrieb geben. Aber Heintz warnt: „Es wird ein ganz enges Rennen.“

Es gibt mehrere Gründe, warum Heintz’ Formkurve gegen den allgemeinen Trend im deutschen Schwimmen so steil nach oben geht. Zum einen fand der BWL-Fernstudent einen Arbeitgeber im Finanzwesen, der ihm alle Freiheiten für das intensive Training lässt und ihn nach dem Ende der Leistungssport-Karriere übernehmen will. Das macht den Kopf frei, genau wie sein Auftritt in Rio de Janeiro – auch wenn er nach der verpassten Medaille im ersten Moment bittere Tränen geweint hatte. „Ich weiß jetzt, dass ich meine Bestzeit erreichen kann, auch wenn ich unter Druck bin und ein Michael Phelps neben mir schwimmt.“

Der Rekord-Olympiasieger aus den USA ist in Budapest nicht mehr dabei, auch nicht der für fast ein Jahr gesperrte Skandalschwimmer Ryan Lochte (ebenfalls USA). Sie hatten die Szene beherrscht. Heintz weiß, dass über 200 Meter Lagen jetzt alle auf ihn schauen, den Heidelberger. Aber er hat sich darauf vorbereitet. Er will dem Druck standhalten.

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