Heimatlos und hoffnungslos

Donezk · Schachtjor Donezk ist seit Jahren das Aushängeschild des ukrainischen Fußballs. Doch der Krieg in der Ostukraine hat auch bei Bayern Münchens heutigem Achtelfinalgegner in der Champions League alles verändert.

Ein Bild aus einer anderen Zeit prangt auf dem Twitter-Zugang von Schachtjor Donezk . Es zeigt die Donbass Arena, das hochmoderne Stadion des ukrainischen Fußballmeisters. Das Flutlicht strahlt, auf den Tribünen stehen Tausende Fans, im Mittelkreis wird das Champions-League-Logo ausgebreitet. Das Foto ist wenige Monate alt - heute stehen vor der Arena Panzer.

Der Krieg hat alles verändert. An Fußball denkt in Donezk kaum noch jemand, Schachtjor ist längst geflohen, der Club steht vor einer Zerreißprobe. Aus einer provisorischen Zentrale in Kiew wird die Verwaltung erledigt, das Training findet ebenfalls dort statt. Die Exponate des Clubmuseums wurden an einen "geheimen Ort" gebracht. Schachtjors "Heimspiele", so auch das Champions-League-Achtelfinale heute Abend (20.45 Uhr/Sky) gegen Bayern München, finden nun in Lwiw statt, ganz im Westen des Landes. Um überhaupt Zuschauer ins EM-Stadion von 2012 zu locken, wurden die Ticketpreise deutlich gesenkt.

Dennoch erfährt Schachtjor kaum Unterstützung, oft ist ein Großteil des Publikums sogar gegen die Heimmannschaft - knapp 1200 Kilometer von der Heimatstadt entfernt gibt es eben wenige, die den Ost-Ukrainern die Daumen drücken. Schachtjor, das Aushängeschild des osteuropäischen Fußballs, ist heimatlos geworden.

Die Zukunft des Clubs ist völlig offen. Schachtjors Präsident, der milliardenschwere Oligarch Rinat Achmetow , einer der einflussreichsten Männer in der Ukraine, bangt um sein Hab und Gut und hat derzeit andere Sorgen als Fußball. In der Winterpause wurde nahezu jeder Spieler mit einem Wechsel in Verbindung gebracht, im Sommer hatten einige aus Angst um ihre Sicherheit sogar die Wiedereinreise verweigert. Insgesamt 13 Brasilianer stehen im Kader Schachtjors, ambitionierte, junge Fußballer, die dem Ruf des so erfolgreichen Vereins in der vergangenen Dekade gefolgt sind. Doch das war lange, bevor der Krieg begann.

Heute sind die Straßen in Donezk von Trümmern übersät, der moderne Flughafen, der erst für die Europameisterschaft vor drei Jahren fertig gestellt wurde, ist verwüstet. Immer neue Schreckensnachrichten von Explosionen in Schulen und Krankenhäusern machen die Runde. Den Menschen, die nicht geflohen sind, fehlt es an allem. Die Nahrungsmittel sind knapp, auch die medizinische Versorgung gestaltet sich immer schwieriger.

Auch die Donbass Arena, in der Schachtjor seit 2009 seine Heimspiele ausgetragen hatte, ist mehrfach von Explosionen erschüttert worden. Die Fassade und auch der Eingangsbereich wurden durch Granatsplitter beschädigt, das Dach wurde durch die Druckwelle mehrere Zentimeter angehoben. Hilfsmittel und Nahrung werden am Stadion verteilt. Wann und ob hier wieder Fußball gespielt wird, ist unklar.

Dennoch sind die Vereinsverantwortlichen bemüht, für die Fußballer so etwas wie Normalität zu schaffen. Auf die Begegnung mit den Münchnern hat sich das Team in Trainingslagern in Brasilien und Spanien vorbereitet - wie man das als ambitionierter Club eben so macht. Alles soll so normal wie möglich sein, doch normal ist in diesen Kriegs-Tagen nichts.

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Auf einen BlickDer FC Bayern München hat das Abschlusstraining für das Champions-League-Achtelfinale gestern in München mit Xabi Alonso bestritten. Der 33 Jahre alte Spanier war beim 8:0-Sieg in der Bundesliga gegen Hamburg kurzfristig wegen Oberschenkelproblemen ausgefallen. Alonso könnte heute sein 100. Spiel in der Königsklasse bestreiten.Trainer Pep Guardiola kann im Achtelfinal-Hinspiel auch wieder auf Weltmeister Jérôme Boateng zurückgreifen, der in der Bundesliga zuletzt gesperrt war. Kapitän Philipp Lahm fällt weiterhin aus, hat aber gestern etwa drei Monate nach seinem Bruch im rechten Sprunggelenk das Lauftraining wieder aufgenommen. dpa/sid

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