Harting erneut ganz oben

Moskau · Bei der Leichtathletik-WM in Moskau ist Diskuswerfer Robert Harting seiner Favoritenrolle gerecht geworden und sicherte sich Gold. Silke Spiegelburg und Claudia Rath schrammten knapp an einer Medaille vorbei.

 Gewohntes Bild: Diskuswerfer Robert Harting zerreißt sein Trikot nach dem dritten WM-Gold in Serie. Der 28-Jährige war mit seinen 69,11 Meter nicht zu schlagen. Foto: Kerim Okten/epa

Gewohntes Bild: Diskuswerfer Robert Harting zerreißt sein Trikot nach dem dritten WM-Gold in Serie. Der 28-Jährige war mit seinen 69,11 Meter nicht zu schlagen. Foto: Kerim Okten/epa

Foto: Kerim Okten/epa

Gold, Gold, Gold! Diskus-Ausnahmewerfer Robert Harting feierte am Dienstag bei den Weltmeisterschaften in Moskau seinen dritten Triumph in Serie. "Im Kopf hatte ich die ganze Zeit, dass ich es noch wuppen würde", sagte der 28-jährige Berliner, der während des Titelkampfes von massiven Rückenproblemen geplagt war, im ZDF. Dennoch hatte er noch genug Kraft, erst sein Trikot zu zerfetzen und dann seine Freundin Julia Fischer zu küssen.

Olympiasieger Harting schleuderte die Scheibe im zweiten Versuch schon auf gute 68,13 Meter. Doch Harting setzte noch einen drauf: Im vierten Versuch landete der Diskus bei 69,11 Meter - zu weit für seinen Rivalen Piotr Malachowski (Polen), der über 68,36 Meter nicht hinauskam. "Es tut manchmal weh, da brauchen wir uns nichts vormachen, das ist Hochleistungssport", meinte Harting. "Wenn das Adrenalin da ist, dann muss man. Ich hätte aber auch Zweiter werden können."

Harting hatte bereits 2009 in Berlin und 2011 in Daegu/Südkorea Gold geholt. Mehr Diskus-Titel als er hat nur der Chemnitzer Lars Riedel errungen, der zwischen 1991 und 2001 gleich fünfmal Weltmeister war. Bei der 14. WM gewann nun zum neunten Mal ein deutscher Werfer. Dritter wurde Gerd Kanter (Estland) mit 65,19 Meter. Dem Magdeburger Martin Wierig fehlten nur 17 Zentimeter zu Bronze. Mit 65,02 Meter wurde der Olympia-Sechste Vierter und feierte seinen bisher größten internationalen Erfolg. "Der vierte Platz ist in Ordnung. Eine Medaille war aber möglich", sagte Wierig.

Auch die Siebenkämpferin Claudia Rath verpasste den Gewinn der Bronzemedaille nur um 15 Zähler. Mit 6462 Punkten wurde die Frankfurterin Vierte hinter der neuen Weltmeisterin Ganna Melnitschenko (Ukraine/6586), Brianne Thesen-Eaton (Kanada/6530) und Dafne Schippers (Niederlande/6477).

Ebenfalls mit dem undankbaren vierten Platz musste sich Stabhochspringerin Silke Spiegelburg begnügen. Genau wie 2012 bei den Olympischen Spielen in London und bei der EM in Helsinki verpasste die deutsche Rekordhalterin am Dienstagabend mit 4,75 Metern nur knapp eine Medaille. Die Russin Jelena Issinbajewa wurde im möglicherweise letzten Wettkampf ihrer Karriere vor heimischem Publikum zum dritten Mal Weltmeisterin. Die 31 Jahre alte Weltrekordhalterin übersprang unter dem großen Jubel der Zuschauer als einzige Athletin 4,89 Meter und gewann damit vor Olympiasiegerin Jennifer Suhr aus den USA und der Weltjahresbesten Yarisley Silva aus Kuba (beide 4,82). Lisa Ryzih wurde im Luschniki-Stadion mit 4,55 Metern Achte. Die deutsche Hallenmeisterin Kristina Gadschiew belegte mit 4,45 Metern Platz zehn.

Über 3000 Meter Hindernis erreichte die EM-Dritte Antje Möldner-Schmidt aus Cottbus in 9:34,06 Minuten Rang acht direkt vor Gesa Felicita Krause (Frankfurt/Main), die in 9:34,11 Minuten ins Ziel kam. Die Kenianerin Milcah Chemos gewann den Titel. In der Weltjahresbestzeit von 9:11,65 Minuten siegte die WM-Dritte von 2011 vor ihrer Landsfrau Lidya Chepkurui (9:12,55 Minuten). Bronze holte sich die Olympia-Dritte Sofia Assefa aus Äthiopien in 9:12,84 Minuten.

Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) steuert damit in der russischen Metropole auf ein ähnlich starkes Gesamtergebnis wie schon bei der WM 2011 in Daegu/Südkorea (3 Gold/3 Silber/1 Bronze) und den Olympischen Spielen 2012 in London (1/4/3) zu. Vor Harting hatten bereits die Hochspringer Raphael Holzdeppe und Björn Otto Gold und Bronze sowie Christina Schwanitz im Kugelstoßen und Zehnkämpfer Michael Schrader jeweils Silber gewonnen. Schließt sich der Kreis? 33 Jahre nach dem Olympia-Coup von Lutz Dombrowski bei den Boykott-Spielen von Moskau peilen die deutschen Weitspringer im Luschniki-Stadion wieder eine Medaille an. Europameister Sebastian Bayer, Ex-Europameister Christian Reif und Alyn Camara wollen für die erste WM-Medaille eines deutschen Weitspringers überhaupt sorgen. Am Mittwoch startet die Qualifikation.

Bayer ist mit 8,04 Meter als deutsche Nummer drei zu den Titelkämpfen geflogen, gilt aber als ausgewiesener Meisterschafts-Springer. Top vorbereitet ist Christian Reif vom LC Rehlingen. "Es ist die WM, der wichtigste Wettkampf des Jahres, da steigt der Druck von außen und innen", sagt Reif, der in diesem Jahr bereits 8,27 Meter vorlegte: "Ich habe keine Verletzungssorgen. Ich will den Endkampf erreichen." WM-Debütant Camara sieht sich mit seinen 8,29 Meter in einer ungewohnten Rolle. Nicht die Stars der Szene Bayer und Reif, sondern der Leverkusener ist in diesem Jahr die Nummer eins des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). "Das hätte ich nie gedacht", sagt der 24-Jährige und dämpft die Erwartungen: "Christian ist der konstanteste Springer von uns. Seine Leistungen waren in diesem Jahr einfach saustark."

Das trifft auch auf den Weltjahresbesten Luis Rivera aus Mexiko (8,46 Meter) zu. Auch Lokalmatador Alexander Menkow aus Russland (8,42 Meter) und Titelverteidiger Dwight Philips aus den USA haben guten Chancen. "Die Leistungsdichte ist extrem", sagt Camara, "die Top 20 der Meldeliste kommen für die Medaillen infrage." Vielleicht muss das Trio für Edelmetall sogar den deutschen Rekord brechen. Den hält noch immer Dombrowski - mit den 8,54 Meter von Moskau. Die Nacht nach dem traumhaften Abend war kurz für den ersten deutschen Weltmeister im Stabhochsprung. "Das letzte Mal habe ich um fünf auf die Uhr geschaut", berichtete Raphael Holzdeppe am Dienstagmittag von der ausschweifenden Feier an der Bar im Moskauer Mannschaftshotel Golden Ring. Auf seinen dritten Platz stieß auch Björn Otto an, Malte Mohr trank sich Rang fünf schön. Und alle begossen gemeinsam den Sieg über den Favoriten Renaud Lavillenie. "Ich habe gemerkt, dass er sich überwinden musste, mir zu gratulieren", sagte Holzdeppe. Dass er es getan hat, zeige, "dass er ein fairer Sportsmann ist. Ich habe keine Probleme mit ihm, aber hier und da hat er schon einen arroganten Zug."

Raphael Holzdeppe, der sich vor dem Wettkampf in seine Haare einen goldenen Schimmer hatte einfärben lassen, ist nicht auf Krawall gebürstet. Aber mit seiner Meinung hält der 23-Jährige nicht hinter dem Berg. "Ich sage, was ich denke, ich bin ein direkter Typ", beschrieb sich der EM- und Olympia-Dritte selbst.

Als sich Renaud Lavillenie am Montagabend zum letzten Mal an der von Holzdeppe zuvor dreimal gerissenen Höhe von 5,96 Metern versuchte, war es mit der Entspanntheit des gebürtigen Pfälzers vorbei. Er hatte Silber sicher, aber Gold vor Augen, "da konnte ich nicht einfach stehen bleiben und bin einfach herumgetigert", erinnerte sich Holzdeppe. Als Lavillenie die Latte riss, entlud sich die ganze Anspannung des Siegers, indem er sich des Trikots entledigte und zu seinem Trainer Chauncey Johnson sprintete. Ihm habe er seine neue Stärke mit zu verdanken.

Im vergangenen Herbst hatte sich Holzdeppe zu einem Wechsel von Zweibrücken nach München in die Trainingsgruppe um Malte Mohr entschlossen. "Es war an der Zeit, etwas Neues auszuprobieren", begründete er die Abkehr von seinem langjährigen Trainer Andrej Tiwontschik. Auch sei er ein "Typ, der sich gern im Training anspornen lässt" von Kollegen. In Zweibrücken war er weitgehend auf sich alleine gestellt.

Den Hintern hoch brachte er auch in technischer Sicht. Unter dem Trainer des ehemaligen Sechs-Meter-Springers Tim Lobinger stellte Holzdeppe, der seine relativ geringe Größe von 1,81 Metern durch seine hohe Grundschnelligkeit kompensiert, den Anlauf um. "Mein Po ist zu tief, da lässt sich schlechter abspringen", sagte er. Nach vielen Übungseinheiten sei sein Körperschwerpunkt jetzt höher, aber noch lange nicht optimal. Potenzial sieht er also durchaus noch. "Die sechs Meter sind auf jeden Fall drin. Ich werde alles daran setzen, sie noch in diesem Jahr oder im nächsten zu schaffen", sagte der gar nicht so neue Überflieger. Schon vor fünf Jahren war er mit 5,80 Metern Junioren-Weltrekord gesprungen.

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