Handball-Party in Blau-Weiß-Rot

Nantes · Frankreich feiert eine einzigartige WM-Party: Nikola Karabatic & Co. wollen ihre „Goldene Generation“ bei der Heim-WM mit dem Titelgewinn krönen. In der Vorrunde gab es fünf Siege in fünf Spielen.

Nikola Karabatic und seine Kollegen haben bei der Handball-WM nicht nur die Gegner im Griff - nein. Ganz Frankreich liegt der "Goldenen Generation" derzeit zu Füßen. Siege wie das 35:24 gegen Russland vor mehr als 10 000 ekstatischen Zuschauern in Nantes oder das 26:25 gestern Abend gegen Polen lassen die Hoffnungen auf den Gewinn des WM-Titels im eigenen Land weiter reifen. "Wir wollen zeigen, dass wir noch die Besten sind", hatte Karabatic vor dem Turnier gesagt. Und genau so treten die Franzosen bislang auf. Getragen von einer enormen Euphorie, mussten sie bisher kaum an ihre Leistungsgrenze gehen. Das Projekt WM-Titel, für Frankreich wäre es der sechste, für Karabatic und viele seiner Mitspieler der vierte seit 2009, nimmt immer schärfere Konturen an.

Die Stimmung im Land erinnert an die Tage des deutschen Wintermärchens 2007. Die Atmosphäre in den ausverkauften Hallen ist gigantisch, im Fernsehen laufen die Spots mit Karabatic, Thierry Omeyer und Co. rauf und runter, und selbst Staatschef François Hollande outete sich zuletzt als Handballfan und besuchte ein Spiel der französischen Mannschaft.

Die WM, das spüren die Menschen in Frankreich, ist das letzte Hurra einer großen Mannschaft. Zwar wurde in der Vergangenheit immer mal wieder das Ende der "Ära der alten Franzosen" beschworen, doch nach dem Heim-Turnier wird nun tatsächlich mit einer Flut von Rücktritten gerechnet. Torhüter Omeyer, der seit mehr als 17 (!) Jahren das französische Tor hütet und auch bei der WM mit famosen Leistungen besticht, ist inzwischen 40 Jahre alt. Rückraumspieler Daniel Narcisse hat 37 Lenze auf dem Buckel. Und selbst Karabatic (32) hat wie Luc Abalo (32) und Michael Guigou (34) die 30 längst überschritten.

Mit all diesen Ausnahmekönnern dominiert Frankreich seit vielen Jahren das Geschehen im Welt-Handball, gewann alles, was es zu gewinnen gibt. Drei siegreiche Weltmeisterschaften, drei EM-Titel und zwei olympische Goldmedaillen fallen in die Zeit seit 2006. Und nachdem es in Rio zuletzt nur zu Silber reichte, gibt es dieser Tage nur ein Ziel.

"Wir wissen, dass wir der Favorit sind", sagte Nationaltrainer Didier Dinart, der zusammen mit Guillaume Gille im Herbst die Nachfolge von Claude Onesta antrat: "Aber wir haben Spieler in unserem Team, die mit dieser Rolle schon seit vielen Jahren sehr gut leben können und die wissen, wie man große Turniere gewinnt."

Doch bevor es in den Finalspielen um den sechsten WM-Titel geht, soll an diesem Samstag ein Rekord purzeln: Beim Achtelfinale im Fußballstadion von Lille (28 010 Plätze) winkt eine Zuschauer-Bestmarke für ein WM-Spiel. Der alte Rekord datiert von 2007. Beim deutschen Wintermärchen in Köln waren 20 500 Fans dabei.Handball-Bundestrainer Dagur Sigurdsson hat zum Start in die heiße WM-Phase zwei Top-Joker gezogen und nach Altstar Holger Glandorf (die SZ berichtete gestern) auch Europameister Hendrik Pekeler nach Frankreich geholt. Dafür hat der Isländer einen Tag vor dem Finale um den Gruppensieg gegen Kroatien am heutigen Freitag (17.45 Uhr) Linksaußen Rune Dahmke nach Hause geschickt.

"Damit hoffe ich, dass wir nun den endgültigen Feinschliff im Kader haben", sagte Sigurdsson gestern: "Ich weiß, dass Pekeler uns hinten Stabilität geben kann." Ursprünglich hatte der Kreisläufer des deutschen Meisters Rhein-Neckar Löwen aus Belastungsgründen freiwillig auf die Teilnahme an der WM verzichtet und erklärt, nur im Notfall bereit zu stehen. "Jetzt habe ich den Joker einfach gezogen", sagte Sigurdsson. Inklusive Glandorf hat er nun die maximal erlaubten 16 Spieler in seinem WM-Kader, weshalb mit Dahmke ein Akteur gestrichen werden musste. "Natürlich war er enttäuscht. Aber das ist keine persönliche, sondern eine rein taktische Entscheidung", sagte der 43-Jährige.

Glandorf traf gestern Nachmittag im Teamhotel in der Normandie ein und nahm am Abend am Abschlusstraining teil, Pekeler erst danach. Die Qualitäten der beiden Akteure könnten schon heute schwer gefragt sein. Gegen Kroatien darf die deutsche Auswahl nicht verlieren, um die Gruppe C als Erster abzuschließen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort