Handball im Korruptions-Sumpf

Leipzig. Der Handball steht nach dem neuen Korruptionswirbel am Abgrund. Ausgerechnet Deutschlands Star-Schiedsrichter Frank Lemme und Bernd Ullrich haben die Sportart durch einen verschwiegenen Bestechungsversuch weiter in Verruf gebracht

 Bernd Ullrich (links) und Frank Lemme pfiffen im Januar das Weltmeisterschafts-Halbfinale Kroatien gegen Polen. Foto: dpa

Bernd Ullrich (links) und Frank Lemme pfiffen im Januar das Weltmeisterschafts-Halbfinale Kroatien gegen Polen. Foto: dpa

Leipzig. Der Handball steht nach dem neuen Korruptionswirbel am Abgrund. Ausgerechnet Deutschlands Star-Schiedsrichter Frank Lemme und Bernd Ullrich haben die Sportart durch einen verschwiegenen Bestechungsversuch weiter in Verruf gebracht. Der Fund von 50 000 Dollar im Gepäck der Magdeburger bei der Ausreise nach einem Europacup-Endspiel in Russland 2006 hat dem Handball einen gewaltigen Imageschaden zugefügt.

"Dass es im Handball ein Korruptionsproblem gibt, ist nicht mehr von der Hand zu weisen. Ich sehe die einzige Chance darin, dass wir unter Zuhilfenahme von externen Experten den Sumpf trockenlegen. Wenn wir Glaubwürdigkeit nicht behalten, sondern wiedergewinnen wollen, müssen wir den Weg gehen", sagte Frank Bohmann, Geschäftsführer des Ligaverbands HBL.

Gestern suspendierte die Europäische Handball-Föderation die beiden deutschen Schiedsrichter. Die Magdeburger hätten an diesem Mittwoch das Europameisterschafts-Qualifikationsspiel Mazedonien gegen Island leiten sollen. Schiedsrichter Ullrich bestätigte unterdessen, dass der Zoll am Moskauer Flughafen in seinem Gepäck 50 000 Dollar gefunden hat: "Als unser Flug aufgerufen wurde, gingen wir durch die Sicherheitskontrolle. Dort durchsuchte ein Zöllner meine Sporttasche und entnahm eine Tüte mit dem Geld." Er und sein Partner hatten am Vortag das Final-Rückspiel Medwedi Tschechow gegen BM Valladolid geleitet, in dem die Russen den Europacup der Pokalsieger gewannen. Die beiden 46-Jährigen bestreiten, das Geld genommen und Spiele verschoben zu haben. "Ja, auf jeden Fall, anders kann das nicht gewesen sein", sagte Ullrich auf die Frage, ob ihm die Tüte unbemerkt zugesteckt wurde: "Wir sind doch nicht so blöd und schleppen 50 000 Dollar durch den russischen Zoll." Und weiter: "Wir haben noch nie ein Spiel manipuliert."

Zugleich berichtete er von einem Bestechungsversuch vor der Partie. "Frank Lemme wurde vor dem Spiel von einem ihm bekannten Russen angesprochen, dass wir das Spiel in die richtige Richtung leiten sollten. Aber er sagte nur: ,Keine Chance, das machen wir nicht.' Er sagte mir vorm Spiel nichts davon", sagte Ullrich und bezeichnete es als Fehler, den Vorfall nicht gemeldet zu haben: "Im Nachhinein hätten wir es auf jeden Fall machen sollen, aber wir hatten keine Beweise. Zudem hatten wir Angst, was wird aus unserer internationalen Karriere." Ihre Karriere mit den Höhepunkten Olympia-Finale 2008 und Weltmeisterschafts-Finale 2005 scheint nun beendet zu sein.

Ullrich und Lemme haben bei der HBL eine Erklärung abgegeben. "Sie haben uns ihre Versionen mitgeteilt, beide Versionen können uns nicht zufriedenstellen", sagte HBL-Geschäftsführer Bohmann und stellte klar: "Wenn wir möglicherweise eine Hand voll Halunken haben, müssen die aussortiert werden." Derweil hat Bundestrainer Heiner Brand Regeländerungen im Handball gefordert: "Es wäre sinnvoll, die Regeln anders zu formulieren, damit der Spielraum der Schiedsrichter nicht so groß ist und sie weniger Einflussnahme auf ein Spiel ausüben können." Er lehnt es ab, Schiedsrichter unter Generalverdacht der Bestechlichkeit zu stellen: "Das ist keine Frage der Entlohnung, sondern des Charakters. Man sieht's doch in der Wirtschaft: Da verdienen Leute mehrere Millionen und machen trotzdem Dummheiten - für ein paar Euro mehr." Unabhängig von der Bezahlung für die Unparteiischen, die in der Bundesliga 500 und im Europa-Cup 400 Euro pro Spiel bekommen, befürwortet Brand Profi-Schiedsrichter: "Vor allem, weil Schiedsrichter dann professioneller arbeiten können."

Die Vorwürfe gegen deutsche Schiedsrichter schocken die Handball-Welt, zumal die Affäre um Rekordmeister THW Kiel, der zehn Spiele in der Champions League manipuliert haben soll, nicht geklärt ist. "Das nimmt Ausmaße an, die ich nicht für möglich gehalten habe", sagte Horst Bredemeier, Vize-Präsident des Deutschen Handballbunds. Im Zusammenhang der Anschuldigungen gegen Kiel ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen THW-Manager Uwe Schwenker wegen Verdacht der Untreue sowie gegen den früheren Kieler Trainer Zvonimir Serdarusic wegen Verdacht der Beihilfe zur Untreue. "Die Staatsanwaltschaft ermittelt, etwas Besseres kann uns nicht passieren", sagte THW-Gesellschafter Hubertus Grote. Der Rekordmeister stellte unterdessen in Person von THW-Gesellschafter Georg Wegner "Strafantrag wegen Verleumdung gegen Personen und Presseorgane, die gegen den THW Vorwürfe wegen angeblicher Spielmanipulationen durch Schiedsrichter-Bestechungen erhoben haben".

Der deutsche Handball-Rekordmeister THW Kiel hat in der Affäre um mögliche Schiedsrichterbestechung Strafantrag wegen Verleumdung gestellt. Nach einem Gespräch mit der Kieler Staatsanwaltschaft entschied sich THW-Gesellschafter Georg Wegner zu diesem Schritt, berichten die Zeitung" Kieler Nachrichten". Der Club steht im Verdacht, mehrere Champions-League-Partien manipuliert zu haben.

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