Handball-Bundesliga bewegt sich auf einem schmalen Grat
Essen. Die erneute Pleite des Handball-Bundesligisten TuSEM Essen hat eine lebhafte Debatte über das mitunter abenteuerliche Geschäftsgebahren in der höchsten deutschen Spielklasse ausgelöst. Keine zwei Jahre nach dem umjubelten Triumph der Nationalmannschaft bei der Heim-WM entpuppen sich Hoffnungen auf rosige Zeiten als Wunschdenken
Essen. Die erneute Pleite des Handball-Bundesligisten TuSEM Essen hat eine lebhafte Debatte über das mitunter abenteuerliche Geschäftsgebahren in der höchsten deutschen Spielklasse ausgelöst. Keine zwei Jahre nach dem umjubelten Triumph der Nationalmannschaft bei der Heim-WM entpuppen sich Hoffnungen auf rosige Zeiten als Wunschdenken. Angesichts wachsender Schuldenberge forderte Uwe Schwenker (Foto: dpa) wirksamere Prüfungsverfahren. "Wir werden darüber sprechen müssen, ob die Lizenzauflagen zu verschärfen sind", sagte der Geschäftsführer des THW Kiel.
Das Beispiel Essen dokumentiert das Dilemma. Nur drei Jahre nach dem ersten Gang in die Insolvenz tappte der Club erneut in die Schuldenfalle. Die monatliche Unterdeckung beträgt 100000 Euro, Gesamtschulden von 1,5 Millionen Euro zwangen nun zur Kapitulation. Damit steht Essen als erster Absteiger fest, will aber die Saison zu Ende spielen.
Der Fall Essen ist für Frank Bohmann, Geschäftsführer der Handball Bundesliga (HBL), der jüngste Anlass für eine "selbstkritische Überprüfung" des Lizenzierungsverfahrens. Daraus könne aber nicht geschlussfolgert werden, dass die Liga ihre Sorgfaltspflichten vernachlässigt habe. Vielmehr äußerte er Zweifel, ob die im Mai vorgelegten Zahlen aus Essen seriös waren.
Der TuSEM ist kein Einzelfall: Ligakonkurrent Nordhorn lebte ebenfalls lange Zeit über seine Verhältnisse. Wegen einer Etatlücke von mehr als 500000 Euro hatte die HBL Nachbesserungen verlangt und mit Punktabzügen gedroht. Nach Angaben von Nordhorn-Geschäftsführer Holger Beelmann kam die HSG den Wünschen der Handball Bundesliga nach: "Das Konzept ist eingereicht, wir sammeln gerade das Geld von Sponsoren ein."
Einen weiteren Drahtseilakt möchte sich Beelmann in Zukunft ersparen. Wie Schwenker macht er sich für bessere Kontrollen stark: "Wenn zwei Vereine bereits im ersten Halbjahr ins Wanken geraten, sollte man über Nachbesserungen beim Lizenzierungsverfahren nachdenken." Andreas Rudolph, Präsident des HSV Hamburg, stieß ins gleiche Horn: "Auch wir hätten 2004 die Lizenz nicht bekommen dürfen. Eigentlich ist sie nichts wert. Das Lizenzierungsverfahren muss schärfer werden."
Auch der Tabellenletzte Stralsund ist finanziell nicht auf Rosen gebettet. Wie Manager Jörg Dombdera bestätigte, ist der geplante Etat in Höhe von 1,2 Millionen Euro noch nicht gedeckt. Clubs wie der SC Magdeburg leiden unter den Sünden der Vergangenheit. Die vergangene Saison schloss der Verein mit einem Minus von etwa 780000 Euro ab.
Nur ein Umdenken kann die Liga vor weiterem Unheil bewahren. "Zwei bis drei Vereine treiben die Kostenspirale nach oben, manche meinen, da mitziehen zu müssen", klagte Kiels Geschäftsführer Schwenker mit Bezug auf das Werben um die teure Profis. Diese Entwicklung bereitet auch Bob Hanning Kopfzerbrechen: "Wir machen gerade den Fehler, uns zu sehr mit dem Fußball zu vergleichen. Die derzeitigen Gehaltssteigerungen sind einfach utopisch." Gleichwohl warnte der Manager der Füchse Berlin vor einer allzu negativen Sicht der Dinge: "Wir dürfen nicht vergessen, dass der Großteil der Vereine seriös wirtschaftet. Die Insolvenz des TuSEM darf zu keinem Generalverdacht für alle Liga-Clubs führen." dpa