Leichtathletik-WM Großes Kämpferherz und großer Frust

London · Hindernisläuferin Gesa Krause verpasst eine Medaille. Sie stürzt unverschuldet in einem chaotischen Rennen – und weint bitterlich.

 Gesa Krause läuft über die Ziellinie. Niedergeschlagen, gezeichnet. Sie wird Neunte über 3000 Meter Hindernis – nachdem sie nach 700 Metern unverschuldet in einen Sturz verwickelt war, der ihr alle Medaillenchancen raubte. Trotzdem lief sie das Rennen tapfer zu Ende.

Gesa Krause läuft über die Ziellinie. Niedergeschlagen, gezeichnet. Sie wird Neunte über 3000 Meter Hindernis – nachdem sie nach 700 Metern unverschuldet in einen Sturz verwickelt war, der ihr alle Medaillenchancen raubte. Trotzdem lief sie das Rennen tapfer zu Ende.

Foto: dpa/Bernd Thissen

Mit großem Kämpferherz, dicken blauen Flecken und einem Brummschädel lief Gesa Felicitas Krause die bitteren Runden bis ins Ziel, dann endlich durfte sie ihren Tränen freien Lauf lassen. „Es ist ein schwerer Schlag, wenn man so viel opfert, so viele Wochen im Jahr von daheim weg ist und dann nicht zeigen kann, was in einem steckt“, sagte die bitterlich weinende Hindernisläuferin, nachdem der Traum von einer WM-Medaille in einem Sturz-Drama geendet hatte.

Auf Bronze hatte Krause im Finale von London gehofft, so wie vor zwei Jahren bei ihrem Überraschungs-Coup in Peking. Die Hoffnung währte nur 700 von 3000 Metern, dann blieb die Kenianerin Beatrice Chepkoech an einem Hindernis hängen und räumte die hinter ihr laufende Krause spektakulär ab – Krause fiel zurück, kämpfte sich an eine Verfolgergruppe heran, die Spitze war aber mit einem Mal unerreichbar. Das Rennen war gelaufen, mehr als Platz neun beim Überraschungssieg der US-Amerikanerin Emma Coburn für die Europameisterin nicht mehr drin.

„Im Moment des Sturzes ist es vorbei gewesen, zumindest mit meinen Träumen und Vorstellungen“, sagte Krause: „Ich habe einen kräftigen Schlag auf den Kopf bekommen, war benommen. Da war es schwer, sofort wieder Vollgas zu geben. Die Konzentration und die Spannung waren weg.“ Und dennoch: „Aufgeben war keine Option, auch wenn ich einen Moment darüber nachgedacht hatte“, sagte die 25-Jährige: „Es ist eine Weltmeisterschaft, und ich trainiere nicht das ganze Jahr, um den Wettkampf nach so kurzer Zeit zu beenden.“

In der wilden Anfangsphase eines der turbulentesten Rennen der WM-Geschichte war der verhängnisvolle Sturz das Ergebnis einer Kettenreaktion. Die übermotiviert und verwirrt wirkende Chepkoech verlief sich in Runde zwei, rannte um den Wassergraben herum, anstatt mit dem Rest des Feldes hindurch. Die Kenianerin musste umdrehen und preschte mit einem gewaltigen Sprint der Konkurrenz hinterher. Das kostete sie derart viel Kraft und Nerven, dass sie eine halbe Runde später nicht mehr über ein Hindernis kam – und dabei Krauses Rennen zerstörte. „Ich weiß selbst nicht, wie es passiert es“, sagte die Frankfurterin, die für den Verein Silvesterlauf Trier startet.

Sturz hin, Pech her: Auch ohne das Missgeschick wäre eine Medaille für Krause schwer zu erreichen gewesen. Bronze, das sich hinter den US-Läuferinnen Coburn (9:02,58) und Courtney Frerichs (9:03,77) die kenianische Titelverteidigerin Hyvin Chepkemoi sicherte, ging mit 9:04,03 Minuten weg – eine Zeit, die mehr als elf Sekunden unter dem deutschen Rekord liegt, den Krause im Mai in Doha mit 9:15,70 erzielt hatte. Trösten konnte sie das freilich erst mal nicht: „Ein Jahr Arbeit hat sich in Luft aufgelöst. Es bringt mich zum Weinen, macht mich wütend und bricht mir das Herz“, sagte Krause: „Es wird eine Weile dauern, das zu verkraften. Ich weiß aber, dass ich wieder angreifen werde, wenn die Wunden geheilt sind.“

Hinfallen, aufstehen, weitermachen: So sieht Krauses Konzept zur Frustbewältigung aus. „Ich habe jetzt bei der Diamond League in Zürich und beim ISTAF in Berlin zwei Chancen, es besser zu machen“, sagte Krause – schon am Samstag reiste sie zurück in ihr Schweizer Trainingscamp. Mit unzähligen Reaktionen von Kollegen und Fans im Gepäck, die sie aufbauten, ihr Mut machten. Stellvertretend sagte Werner Klein aus Rehlingen, der Bundesstützpunkttrainer für 3000 Meter Hindernis: „Gesa ist und bleibt eine ganz Große. Eine unglaubliche Leistung. Ich glaube, es wäre mehr als Bronze geworden.“ Mit der Meinung war Klein nicht allein.

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