Zum 20. Todestag von Florence Griffith-Joyner Wie ein weiblicher Michael Jackson

Berlin · Vor genau 20 Jahren starb Florence Griffith-Joyner. Ihre beiden Weltrekorde im Sprint sind wie in Stein gemeißelt.

 Seit 20 Jahren ist die Weltrekordhalterin über die Sprintstrecken 100 und 200 Meter, Florence Griffith-Joyner, tot. Vor 30 Jahren trumpfte die US-Amerikanerin (Mitte) im olympischen 100-Meter-Finale von Seoul auf. Links Heike Drechsler, damals noch für die DDR startend.

Seit 20 Jahren ist die Weltrekordhalterin über die Sprintstrecken 100 und 200 Meter, Florence Griffith-Joyner, tot. Vor 30 Jahren trumpfte die US-Amerikanerin (Mitte) im olympischen 100-Meter-Finale von Seoul auf. Links Heike Drechsler, damals noch für die DDR startend.

Foto: dpa/dpa Seoul

Ihr grell-buntes Outfit, die wehenden dunklen Haare und die zentimeterlangen Fingernägel waren ein Blickfang, ihre Fabelweltrekorde scheinen für die Ewigkeit – doch ihr trauriges Schicksal ist bis heute bedrückend: Sprintkönigin Florence Griffith-Joyner war gerade einmal 38 Jahre alt, als sie vor genau 20 Jahren, am 21. September 1998, starb. Um 6.30 Uhr hatte Al Joyner seine Frau im gemeinsamen Haus im kalifornischen Mission Viejo tot in ihrem Bett gefunden.

Die Sportwelt war geschockt, Gerüchte und Spekulationen machten schnell die Runde. Starb die Olympiasiegerin an den Spätfolgen von Doping in der Anabolika-Hochzeit der 80er Jahre? Die Obduktion ergab dafür keine Anhaltspunkte. Griffith-Joyner sei im Schlaf durch eine angeborene Anomalie des Gehirns gestorben, hieß es. Zweifel blieben.

„Die große Sphinx des Frauensports und ihr früher Tod sind Drama pur. In meinem Kopf ist sie für immer der weibliche Michael Jackson“, sagt Ines Geipel, die Vorsitzende des Dopingopfer-Hilfe-Vereins: „Aus einfachen Verhältnissen stammend rennt eine farbige Sprinterin wie im Sturm in die schillernde Welt aus Superlativen und Glamour. Das ist in meinen Augen die eigentliche Tragik: Dass man bei jedem ihrer Schritte sehen kann, wie jemand durchs Laufen unbedingt frei sein will – und sich dabei völlig verliert.“ Geipel war in der DDR selbst Sprinterin und wurde rund sieben Monate später als Griffith-Joyner geboren.

Zehn Jahre vor ihrem schockierenden Tod hatte Flo Jo den Höhepunkt ihrer Karriere erreicht: Innerhalb von 75 Tagen pulverisierte die US-Amerikanerin 1988 die Weltrekorde über 100 und 200 Meter, drei Mal eroberte sie in Seoul Olympia-Gold (100, 200 und 4x100 Meter), einmal Silber (4x400 Meter). Im gleichen Jahr wurde sie zur ersten „Welt-Leichtathletin“ der IAAF gekürt – zusammen mit ihrem Landsmann Carl Lewis.

Bei der Olympia-Qualifikation der Amerikaner in Indianapolis erlebten die Zuschauer am 16. Juli 1988 eine Sternstunde der Leichtathletik: Wie eine Windsbraut raste Griffith-Joyner über die Tartanbahn, nach 100 Metern stoppten die elektronischen Uhren bei 10,49 Sekunden. Ein unglaublicher Weltrekord. Die Amerikanerin Carmelita Jeter, 20 Jahre jünger, kam 2009 bis auf 15 Hundertstelsekunden an Flo Jos überirdische Zeit heran – mit 10,64 Sekunden ist sie bis heute die Nummer zwei der Welt. Landsfrau Marion Jones, später des Dopings überführt, folgt mit 10,65 Sekunden als Nummer drei der ewigen Bestenliste.

Am 29. September 1998 legte Griffith-Joyner im olympischen 200-Meter-Finale spektakulär nach: Gold und wieder Weltrekord – wie schon im Halbfinale. Über die irren 21,34 Sekunden staunte auch Finalistin Heike Drechsler wohl mehr als über die eigene Bronzemedaille.

Schnell, schön, beliebt und erfolgreich – das Covergirl des Weltsports faszinierte alle. Karriere machte Griffith-Joyner auch als Designerin, Kinderbuchautorin und Schauspielerin. „Die Leute beachten dich nicht, wenn du Zweite wirst. Deshalb wollte ich sehen, wie es sich anfühlt, die Nummer eins zu sein“, nannte sie ihre Motivation. 1989 trat Flo Jo, begleitet von Dopinggerüchten, zurück und brachte Tochter Mary Ruth zu Welt. Comeback-Versuche scheiterten. Bis heute wird sie auf einer unter ihrem Namen gepflegten Website wie eine Ikone verehrt.

 Flo Jo und ihr Markenzeichen, die langen Fingernägel.

Flo Jo und ihr Markenzeichen, die langen Fingernägel.

Foto: dpa/Gerhard Schnatmeyer
 Ehrenrunde nach dem Olympia-Gold 1988 über 100 Meter.

Ehrenrunde nach dem Olympia-Gold 1988 über 100 Meter.

Foto: dpa/dpa Seoul

„20 Jahre nach ihrem bitteren Tod wissen wir deutlich mehr über die Schadens-Karrieren unserer großen Idole“, meinte Ines Geipel, die 11,21-Sekunden-Sprinterin ist selbst ein Dopingopfer. „Herztode, Epilepsien, Hirninfarkte, Krebse, kaputte Kinder gehören mittlerweile fast selbstverständlich dazu“, sagte die 58 Jahre alte Literatur-Professorin. „Zu Flo Jos Tod gab es keine einzige harte Frage“, beklagte sie: „Der Gordische Knoten um die chemisierten Körper bleibt ungelöst.“

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