Leichtathletik Grauvogel hakt die WM in Doha bereits ab

Ottweiler · Die Siebenkämpferin aus Ottweiler konzentriert sich nach einer Knieverletzung jetzt auf das Olympia-Jahr 2020.

 2018 war Louisa Grauvogel aus Ottweiler die Aufsteigerin schlechthin in der deutschen Leichtathletik, begeisterte bei der Heim-EM in Berlin.

2018 war Louisa Grauvogel aus Ottweiler die Aufsteigerin schlechthin in der deutschen Leichtathletik, begeisterte bei der Heim-EM in Berlin.

Foto: dpa/Sven Hoppe

Louisa Grauvogel klingt ungeduldig. Die 22-Jährige spricht sehr schnell, wenn es um ihre Verletzung geht. „Ich hatte vorher noch nie was am Knie“, sagt die Leichtathletin. Nach ihrem Fabel-Jahr 2018, als die Ottweilerin auf der Überholspur in die europäische Siebenkampf-Spitze durchstartete, ist sie 2019 seit Februar ausgebremst, stand eine Zeit lang gar auf der Standspur – und ist zum Zuschauen verdammt, wenn jetzt die heiße Phase in der Qualifikation für die WM in Doha beginnt.

„Im Februar habe ich mich beim Hochsprung an der Patellasehne verletzt“, erzählt die Saarländerin, die seit Jahresbeginn für den TSV 04 Bayer Leverkusen startet. Nach zwei, drei Tagen ließen die Schmerzen nach, hörten auf. Statt eine Pause einzulegen, flog „Lou“ mit der deutschen Nationalmannschaft in ein dreiwöchiges Trainingslager. Dort meldete sich das Knie wieder, schmerzte immer mehr, sie konnte kaum noch gehen. Und so saß Grauvogel zur Untätigkeit verdammt in Südafrika, konnte auch kein MRT machen. Das wurde nach ihrer Rückkehr gemacht – und zeigte unter anderem einen stark entzündeten Schleimbeutel an der Sehne.

„Ich musste mich schonen, habe ganz langsam angefangen. So eine Verletzung dauert Ewigkeiten“, berichtet die Ottweilerin. Eigenblut-Therapie, Stoßwellen, mittlerweile ist die Entzündung besser geworden. Die Sache mit dem Knie bleibt aber langwierig. Und daher konnte sie auch nicht beim Mehrkampf-Meeting in Götzis teilnehmen. Das Gleiche gilt für das Wochenende in Ratingen. Bei beiden Veranstaltungen hätte sich Grauvogel für die Weltmeisterschaft vom 28. September bis 6. Oktober in Katar qualifizieren können.

Die Norm liegt bei 6300 Punkten, bisher hat sie nur Siebenkampf-Branchenführerin und WM-2017-Silbermedaillengewinnerin Carolin Schäfer überboten. Da es drei deutsche Startplätze gibt, rücken Athletinnen nach, falls in Ratingen nur eine oder keine Siebenkämpferin die Norm packt. Qualifikationskriterium sind dann gute Leistungen in diesem und im Vorjahr. Eine Chance für Grauvogel?

Trotz ihrer starken Leistungen bis zur Verletzung hat die Ottweilerin, neben Laura Müller (LC Rehlingen) das Gesicht der saarländischen Leichtathletik, das Thema WM abgehakt. „Wenn man in Götzis und Ratingen nicht dabei ist, wird man auch nicht zur WM nominiert“, sagt sie: „Im Moment denke ich an sowas gar nicht. Für mich ist die Luft raus aus der Saison. Ich mache jetzt langsam, schreibe auch Klausuren an der Uni“, ergänzt die Biochemie-Studentin, die bei Instagram rund 3500 Follower hat.

Bitter, denn bis zu ihrer Verletzung war Grauvogel stark in Form. Bei den Nordrhein-Meisterschaften Mitte Januar und beim Meeting in Metz Anfang Februar war sie nah an der Norm für die Hallen-EM. Mit 7,42 Sekunden war sie in Metz im 60-Meter-Vorlauf so schnell wie nie. Und über 60 Meter Hürden fehlten ihr in 8,12 Sekunden nur zwei Hundertstel zum Richtwert für die Titelkämpfe Anfang März in Glasgow. Aber es sollte nicht sein für die Neu-Leverkusenerin.

In der Pharma-Stadt wohnt sie erstmals alleine, wobei fast jeden Tag ihr Freund da ist oder sie bei ihm. „Die Wohnung ist direkt am Trainingszentrum und an der Bahnstrecke nach Köln“, erklärt die 22-Jährige, die sich gut eingelebt hat. „Es ist wirklich ein guter Verein“, sagt sie. Ihr Training unterm Bayer-Kreuz verlief in den vergangenen Wochen aber naturgemäß eingeschränkt. Alternativ-Training mit Kraftübungen, Radfahren und Schwimmen ersetzten die spezifische Arbeit. „Ich laufe kaum“, sagt sie. Ein Jammer, denn bei dem derzeit so heißen Wetter wäre Grauvogel heiß aufs Arbeiten. „Für mich ist das perfekt, ich finde das Wetter mega-gut“, sagt sie.

Der Verein unterstützt sie gut, der Fokus liegt jetzt auf dem nächsten Jahr. Zumal zu der Knie-Geschichte noch etwas kommt, was bei Leichtathleten auch eine riesige Umstellung bedeutet. Grauvogel wechselte in Leverkusen Anfang Mai ihren Trainer, statt von Erik Schneider wird sie jetzt vom zweiten hauptamtlichen Mehrkampf-Trainer, Stefan Press, betreut. Sein Konzept erwies sich als noch besser passend für sie, die Ottweilerin setzt in der neuen Trainingsgruppe noch mehr auf die Verbesserung ihrer Technik und auf Intensität, dafür auf weniger Umfänge. „Jeder Trainer hat seinen eigenen Stil“, sagt Grauvogel, die auch mit dem Saarländer Uli Knapp weiter zusammenarbeitet. Zumal er ihr Management macht.

„Es war halt jetzt viel auf einmal“, sagt Grauvogel, die sich freut, in St. Wendel bei Orthopäde Dr. Daniel Bastian in besten Händen zu sein. Auch für Heimatbesuche reichte zuletzt die Zeit. „Ich vermisse das Saarland schon“, gibt sie zu und sieht dann in der Verletzung auch etwas Gutes. Ohnehin ist Optimismus eine ihrer vielen Qualitäten. „Ich denke, dass alles für etwas gut ist“, sagt sie: „Wäre ich in Doha dabei gewesen, wäre der Zeitplan bis zur Olympia-Qualifikation ganz kurz.“

Und wenn die Ottweilerin wieder ganz fit ist, ist sie auch optimistisch, die Olympia-Norm (vermutlich etwa 6400 Punkte) zu knacken. Und so sehr Grauvogel jetzt mit den Hufen scharrt: Wenn sie wieder voll belastbar ist, dann kann sie auch ihre Ungeduld in Energie umsetzen.

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