Glaubwürdigkeit schwindet

London · Die Enthüllungen um den Arzt Mark Bonar, der gar nicht hätte praktizieren dürfen, setzen die britische Anti-Doping-Agentur (Ukad) unter Druck. Die Glaubwürdigkeit des Anti-Doping-Kampfes generell steht in Frage.

Die Beschuldigten wollen von einem Skandal nichts wissen - dafür konzentriert sich die Kritik nach den Enthüllungen über angeblich 150 gedopte britische Topsportler auf die nationale Anti-Doping-Agentur (Ukad). Inzwischen hat sich die Politik eingeschaltet, der britische Sportminister John Whittingdale kündigte eine Untersuchung der Vorwürfe an, denenzufolge die Organisation seit zwei Jahren informiert war, aber keine Schritte einleitete.

Für Ukad, aber auch die Anti-Doping-Kämpfer weltweit, kommen die Beschuldigungen zur Unzeit. Bisher galt die britische Organisation als Vorbild und hat derzeit eine Schlüsselrolle im Weltsport inne. Nach dem Skandal in der russischen Leichtathletik ist Ukad für die Dopingkontrollen im russischen Sport zuständig. Zudem berät sie die Task Force des Internationalen Olympischen Komitees vor den Sommerspielen in Rio. Dort soll Ukad unter anderem Lücken im Kontrollsystem aufdecken. Die Vorwürfe gegen die Vorzeige-Organisation verschlimmern nun die Glaubwürdigkeitskrise des internationalen Sports.

"Es sind ziemlich schreckliche Nachrichten", sagte Craig Reedie, Präsident der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada). Der bisher nicht unbedingt als kompromissloser Aufklärer aufgefallene Brite betonte, dass man zuerst die interne Untersuchung von Ukad abwarten solle: "Dann haben wir das gesamte Wissen und die Fakten, mit denen wir arbeiten können. Mein Eindruck ist: Hätten sie ausreichende Beweise gehabt, hätten sie auch gehandelt."

Daran bestehen aber Zweifel: Obwohl sich bereits Anfang 2014 ein anonymer Zeuge - angeblich ein Amateur-Radfahrer - an die Agentur gewandt hatte und den Arzt Mark Bonar beschuldigte, sah sich Ukad nicht zum Handeln imstande. Man hätte nur Maßnahmen gegen Personen ergreifen können, die unter die Sportgerichtsbarkeit fielen, erklärte die Vorstandsvorsitzende Nicole Sapstead. Warum Ukad aber die Informationen nicht zumindest an das General Medical Council, die britische Ärztekammer, weiterleitete, ist ungeklärt.

Nach britischen Medieninformationen sollen die Hinweise damals allerdings nicht so eindeutig gewesen sein, wie sie am Sonntag die "Sunday Times" und die ARD-Dopingredaktion öffentlich machten. Allerdings seien Ukad später mindestens zwei handschriftliche Rezepte vorgelegt worden.

Bonar selbst hatte in der Dokumentation vor versteckter Kamera angegeben, 150 britische Sportler, darunter auch Fußballer aus englischen Topclubs, mit Dopingmitteln versorgt zu haben. Alle in Verdacht geratenen Vereine, unter anderem der FC Arsenal und der FC Chelsea, wiesen dies unmittelbar zurück. Beschuldigt wurden zudem auch Kricket-Spieler, Tour-de-France-Teilnehmer und ein britischer Boxer.

Inzwischen hat die Klinik, in der Bonar private Praxisräume gemietet hatte, den Vertrag mit ihm aufgelöst. Es war bekannt geworden, dass der 38-Jährige keine Lizenz der Ärztekammer besitzt und damit eigentlich nicht hätte praktizieren dürfen. Wie ein Sprecher des General Medical Council mitteilte, hat der Entzug der Erlaubnis aber nichts mit den Doping-Vorwürfen zu tun. "Er hat an einem verpflichtenden Prozess zur Bewertung seiner Fähigkeiten nicht teilgenommen", sagte der Sprecher gestern. Die Entscheidung sei bereits am 22. März dieses Jahres gefallen. Bonar werde zudem wegen Vorwürfen verhört, einen Patienten falsch behandelt zu haben, schreibt die Nachrichtenagentur PA.

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