Gesucht wird Boatengs Partner

Évian-les-Bains · Er hat erst ein Länderspiel, doch nun reist Jonathan Tah zur EM. Am Sonntag gegen die Ukraine wird der Leverkusener aber nicht von Beginn an spielen. Zweiter Innenverteidiger neben Jerome Boateng wird ein anderer.

Als am Dienstagabend das Kreuzband von Antonio Rüdiger riss, war sie wieder da: die Abwehrdiskussion rund um die Fußball-Nationalmannschaft. Dominiert von zwei Fragen: Wer spielt am Sonntag in Lille gegen die Ukraine (21 Uhr/ARD) an der Seite von Jérôme Boateng in der Innenverteidigung? Und: Wer rückt für Rüdiger nach?

Trainer Joachim Löw ließ sich gestern nicht lange bitten und gab auf der Pressekonferenz im Teamquartier in Évian zügig auf beide Fragen Antworten. Jonathan Tah (20) von Bayer Leverkusen hatte er schon nachnominiert. Damit ist das Team das jüngste der EM, ist im Schnitt 25,81 Jahre alt. Und: "Am Sonntag werden entweder Benedikt Höwedes oder Shkodran Mustafi in der Innenverteidigung neben Boateng spielen. Ich vertraue beiden. Vor allem Mustafi."

Tah noch nicht. Bevor er erklärte, warum er den 20-Jährigen auswählte und warum er nicht direkt spielen kann, bedauerte der Trainer die Verletzung von Rüdiger: "Es tut mir sehr leid für Toni. Er war in einem sehr, sehr guten Formzustand." Aus der Ruhe bringt Löw der Ausfall nicht. Er sieht in Tah einen guten Ersatz: "Ich wollte bewusst einen ausgebildeten Innenverteidiger haben. Tah war sowieso im engeren Kreis vor dieser EM - und ist seit drei Wochen individuell im Training, das war ganz wichtig."

Wichtig deshalb, weil die 1,92 Meter große und 95 Kilo schwere Abwehr-Kante in den letzten Bundesligaspielen für Bayer Leverkusen nicht auflaufen konnte. Zuvor hat er von 45 Spielen 44 durchgespielt, bis ihn im April eine Lebensmittelvergiftung ins Krankenhaus brachte.

Seit er raus ist, trainiert er. Mit eigenem Fitnesstrainer. Löw habe ihn aber nicht dazu angehalten. "Er hat selber entschieden, sich fit zu halten", lobte Löw: "Tah ist sehr professionell. Er hat drei Wochen etwas gemacht, natürlich kein Mannschaftstraining." Und das fehle dem 20-Jährigen nun. Und natürlich Erfahrung. Erst ein Länderspiel hat er absolviert. Beim 2:3 gegen England stand er im März auf dem Platz - und auch einmal neben sich. Auch daher komme ein Einsatz am Sonntag von Beginn an nicht infrage. "Aber ich gehe davon aus, dass er in einer Woche so weit ist", sagte Löw. Zunächst muss er aber mal aus seinem Florida-Urlaub anreisen.

Nicht fit ist Innenverteidiger Mats Hummels (Faserriss), der gestern aber das erste Mal mit Ball trainieren konnte. Nicht trainiert haben Joshua Kimmich (Erkältung) und Julian Weigl (Verhärtung in der Wade). Trainingsschwerpunkte sind derzeit "das Defensivverhalten und das Offensiv-Spiel gegen massive Deckungen", erklärt der Trainer. Auch Standards. "Vor allem bei Standards gegen uns haben wir Probleme", gestand Löw, der gestern neben DFB-Präsident Reinhard Grindel auf dem Podium saß.

Der Präsident hat sich in Évian Lobby-Arbeit für den durch den WM-Skandal ramponierten DFB auf die Fahnen geschrieben. Dazu gehört: "Transparenz schaffen", wie Grindel erklärte. Daher haute er Zahlen raus: "Wenn wir Europameister werden, hätten wir Ausgaben von 23 Millionen zu erwarten und Einnahmen von 25 Millionen." Prämien, Personalkosten, Sicherheit und "erhebliche Ausgaben für Spielort-Hotels" seien Kostentreiber. Kurios: Bei einer Finalniederlage würde der DFB vier statt drei Millionen Euro Gewinn machen. "Da müssten wir halt den Spielern keine Titelprämie zahlen", erklärte Grindel. 300 000 Euro pro Nase wären das. "Wenn wir im Finale sind, wollen wir sicher nicht Zweiter werden", sagte Grindel lachend. Dazu muss aber die Abwehr stehen.

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