Gesichter ohne KampagneEhrenpräsident Digel hält sechs bis acht deutsche Medaillen für realistisch

Saarbrücken. Bianca Kappler ist eines von 17 Gesichtern der am Samstag beginnenden Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Berlin. Das Organisationskomitee der WM stellte die Weitspringerin des LC asics Rehlingen und 16 weitere deutsche Athleten im März als Werbeträger für die Wettkämpfe vor

Saarbrücken. Bianca Kappler ist eines von 17 Gesichtern der am Samstag beginnenden Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Berlin. Das Organisationskomitee der WM stellte die Weitspringerin des LC asics Rehlingen und 16 weitere deutsche Athleten im März als Werbeträger für die Wettkämpfe vor. Sie sollten "die Vorfreude auf das weltgrößte Sportereignis dieses Jahres zusätzlich steigern", wie es in einer Pressemitteilung hieß. Im Klartext: Die Gesichter der WM sollten Millionen Menschen vor die TV-Schirme und über 500 000 ins Olympiastadion locken.

Doch bis zuletzt ist von dieser Kampagne kaum etwas zu sehen oder zu hören. Weder springt Bianca Kappler als Plakat in Überlebensgröße in den Vorgarten von Bundespräsident Horst Köhler auf Schloss Bellevue, noch spielt sie die Hauptrolle in einem Schweiß-und-Tränen-Spot, der deutschlandweit im Fernsehen läuft. Nicht, weil sie das nicht möchte. "Derartige Anfragen habe ich von den Organisatoren nicht bekommen", erklärt sie.

Kappler hat ihre Aufgabe als Botschafterin für die WM von sich aus mit Leben gefüllt: mit ihrem Comeback ein Jahr nach dem Achillessehnenriss, mit starken sportlichen Leistungen und sympathischen Auftritten in den Medien. "Ich habe meine Rolle als Gesicht der WM so verstanden, dass ich die Leichtathletik und den Weitsprung bei meinen Wettkämpfen, in Interviews und bei Besuchen in Sportsendungen repräsentiere", sagt die 32-Jährige.

Einige andere WM-Gesichter hatten sich deutlich mehr Engagement vom Organisationskomitee gewünscht. Speerwerferin Christina Obergföll, Weitspringer Sebastian Bayer oder etwa Hammerwerferin Betty Heidler beklagten teilweise massiv, dass die Kampagne seit März quasi stillgelegen habe. Sie befürchten, dass nicht genug Zuschauer ins Stadion kommen könnten, um die WM zu einem Leichtathletik-Fest zu machen. Viele Menschen hätten gar nicht registriert, dass sie überhaupt stattfindet. Bisher sind mehr als 300 000 von 550 000 Tickets verkauft.

Auch der ehemalige Zehnkämpfer Christian Schenk, Olympiasieger 1988 in Seoul und Inhaber einer Sportmarketing-Agentur, kritisiert die Vermarktung durch den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV). "Die Emotionalität der Sportart ist nicht ausgenutzt worden, um bei den Menschen Begeisterung zu schüren", sagt er und meint damit vor allem diejenigen, die sich sonst nicht für Leichtathletik interessieren, sich aber von Euphorie anstecken lassen könnten - so wie 2006 bei der Fußball-WM oder 2007 bei der Handball-WM jeweils im eigenen Land. "Wir haben Persönlichkeiten, die begeistern können - zum Beispiel Ariane Friedrich oder Robert Harting", merkt Schenk an. Auch ehemalige Publikumslieblinge wie Heike Henkel oder der Quierschieder Armin Harry hätte man einbinden sollen, um den Wunsch zu stärken, bei diesem Spektakel dabei zu sein.

Bianca Kappler hält sich mit Kritik am DLV zurück. "Ich finde, es sollte nicht vorher schon alles schlecht gemacht werden", sagt sie. "Die Deutschen sind leichtathletik-begeistert, und Berlin ist eine attraktive Stadt. Ich bin sicher, das Stadion wird voll sein." Auch ohne die Gesichter-Kampagne des DLV.Berlin. Einen sportlich großen Erfolg prophezeit Helmut Digel dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) bei den zwölften Weltmeisterschaften in Berlin. "Ich glaube, dass die Talsohle objektiv durchschritten ist, wenn man die Leistungen in dieser Saison betrachtet", sagte der DLV-Ehrenpräsident. Nach dem Debakel bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking mit nur einer Bronzemedaille erwartet er einen signifikanten Aufschwung: "Ich gehe davon aus, dass wir sechs bis acht Medaillen gewinnen können." In der Nationenwertung, bei der die Ränge eins bis acht zählen, könne Deutschland Position drei erreichen: "Die USA und Russland werden die ersten beiden Plätze belegen. Es wird eine Auseinandersetzung um Rang drei mit Frankreich und Großbritannien geben."

Ein großer Gewinner der WM von Samstag bis zum 23. August wird die IAAF sein. "Die IAAF hat eine WM noch nie so erfolgreich vermarkten können wie die in Berlin", sagte Digel, der im Weltverband für das Marketing verantwortlich ist. "Es ist der größte finanzielle Erfolg der IAAF. Was von den Sponsoren bezahlt wird, ist im Vergleich mit der WM 1993 in Stuttgart eine fast 100-prozentige Steigerung der Erträge." dpa

Auf einen Blick

Das sind die 17 vom Deutschen Leichtathletik-Verband ausgesuchten Gesichter der Weltmeisterschaften:

In Berlin am Start: Sebastian Bayer (Weitsprung), Christina Obergföll, Steffi Nerius (beide Speerwurf), Ariane Friedrich (Hochsprung), Robert Harting (Diskus), Betty Heidler (Hammerwurf), Bianca Kappler (Weitsprung), Robin Schembera (800 Meter), Lilli Schwarzkopf (Siebenkampf), Raul Spank (Hochsprung), Silke Spiegelburg (Stabhochsprung).

Nicht dabei: Petra Lammert (Kugelstoßen), Irina Mikitenko (Marathon), Danny Ecker (Stabhochsprung), Andre Niklaus (Zehnkampf), Raphael Holzdeppe (Stabhochsprung), Sina Schielke (Sprinterin). red

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