Gerupfte Austria-Adler am Tiefpunkt

Bischofshofen · Das Vierschanzentournee-Aus von Topstar Gregor Schlierenzauer ist der neuerliche Tiefpunkt für Österreichs Skispringer. Die einstige Schanzen-Großmacht steckt, wenn heute die Entscheidung fällt, in einer schweren Krise.

Selbst der einstmals stolzeste aller Austria-Adler wirkte wie ein gerupftes Huhn. "Man nimmt mir eine Last von den Schultern", sagte Gregor Schlierenzauer , nachdem ihn Österreichs Cheftrainer Heinz Kuttin von einer ernüchternden Vierschanzentournee erlöst hatte. Das Aus des mit 53 Weltcup-Siegen erfolgreichsten Skispringers der Welt ist der Tiefpunkt für die einstige Übermacht.

"Es tut weh, das zu sehen. Dem Trainerteam geht das an die Nieren", sagte Kuttin vor dem heutigen Tournee-Abschlussspringen im heimischen Bischofshofen (17 Uhr/ARD und Eurosport), bei dem sich der Slowene Peter Prevc aller Voraussicht nach den Gesamtsieg vor Severin Freund holen wird. Gemeint hatte Kuttin damit in erster Linie Schlierenzauer, sein Stoßseufzer galt aber auch der Gesamtsituation.

Nur ein Tagessieg kann der Tournee noch ein versöhnliches Ende bereiten, die Aussichten aber sind mäßig. Dass es nach sieben fetten Jahren nichts mit dem achten Tournee-Gesamtsieg eines Österreichers wird, kommt nicht unerwartet. Dass der Co-Gastgeber des Traditions-Bewerbs aber derart schwächelt, trifft die Alpenrepublik wie ein Keulenschlag. Vor allem das Abschneiden in Innsbruck schmerzte: Elf Österreicher waren angetreten, drei scheiterten in der Quali, vier im ersten Durchgang, einziger Lichtblick war Michael Hayböck, der Bischofshofen-Sieger des Vorjahres, auf Platz fünf. Nur Hayböck, Vierter im Gesamtklassement, kann verhindern, dass erstmals seit 2006 kein Österreicher auf dem Tournee-Podium steht.

Trotz nun 16 Weltcup-Springen in Serie ohne Sieg spricht Kuttin, der 2014 das Erbe von Erfolgstrainer Alexander Pointner antrat, von einer Momentaufnahme: "Ich sehe keine Krise. Es kann schnell wieder in die andere Richtung gehen. Aber es ist schwer, immer an der Vergangenheit gemessen zu werden."

Dabei ist Österreichs Nationalteam kaum weniger prominent besetzt als in vergangenen Erfolgs-Jahren. Zwar sind in Thomas Morgenstern , Wolfgang Loitzl und Martin Koch drei Stars zurückgetreten, der Kader verfügt aber immer noch über vier Vierschanzentournee-Sieger: Titelverteidiger Stefan Kraft ist jedoch nicht in Form, Schlierenzauer, Andreas Kofler sowie Thomas Diethart ebenso wenig. Auch dahinter sieht es mau aus: Die zweite Reihe um Manuel Poppinger und Manuel Fettner , das zeigt sich bei der Tournee, ist für höhere Aufgaben nicht geeignet.

"Kraft und Hayböck haben schon Sensationelles geleistet. Wenige Nationen können nach einer goldenen Generation gleich wieder zwei nachschießen", sagt Deutschlands österreichischer Bundestrainer Werner Schuster: "Sie sind nicht mehr so breit aufgestellt wie früher, das ist der natürliche Lauf der Zeit."

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Auf einen BlickSeverin Freund hat nach seinem Sturz in Innsbruck auf das Training und die Qualifikation für das letzte Springen der Vierschanzentournee in Bischofshofen verzichtet. "Es macht keinen Sinn, der Ruhetag hat nicht ausgereicht, um ihn sprungfertig zu machen", sagte Bundestrainer Werner Schuster: "Severin wird aber im Wettkampf am Mittwoch springen und eine gute Leistung bringen." Freund, der mit rund 20 Punkten Rückstand auf den führenden Slowenen Peter Prevc ins Tournee-Finale geht, hatte sich diverse Prellungen zugezogen. sid

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