Geläutert und erfolgreich

Mannheim. Als Thorsten Storm am Tag danach die Tageszeitungen nahm, um die Tabelle der Handball-Bundesliga anzuschauen, rieb er sich immer noch die Augen. Aber es war kein Traum. Nach dem 30:27-Erfolg am Dienstagabend gegen die SG Flensburg-Handewitt, dem siebten Sieg im siebten Spiel, standen die Rhein-Neckar Löwen tatsächlich ganz oben

Mannheim. Als Thorsten Storm am Tag danach die Tageszeitungen nahm, um die Tabelle der Handball-Bundesliga anzuschauen, rieb er sich immer noch die Augen. Aber es war kein Traum. Nach dem 30:27-Erfolg am Dienstagabend gegen die SG Flensburg-Handewitt, dem siebten Sieg im siebten Spiel, standen die Rhein-Neckar Löwen tatsächlich ganz oben. "Das gab es noch nie", sagt der Löwen-Manager. Triumphgeheul aus Mannheim ist dennoch nicht vernehmbar. Trotz des perfekten Starts fordert Storm Bodenhaftung. "Wir müssen kleine Brötchen backen. "Auf uns wird besonders genau geschaut, weil wir in den letzten Jahren den Mund zu voll genommen haben."

Der Fall des Jesper Nielsen

Die Demut hat Gründe. Denn die Geschichte der Löwen, die 2002 aus der SG Kronau/Östringen hervorgegangen sind, ist stets als Ankündigung leerer Versprechen wahrgenommen worden. "Die Löwen sollen die beste Mannschaft der Welt werden", das hatte 2008 der dänische Investor Jesper Nielsen erklärt. Nielsen, ein ehemaliger Handballer, strebte zu den Sternen. Das Ziel waren Titel in der Meisterschaft und in der Champions League.

Doch der Einstieg des neuen Mehrheitsgesellschafters, der mit dem Verkauf von Schmuck zu Reichtum gekommen war, erfreute die Löwenfans und Vereinsfunktionäre nur in den ersten Jahren, als Nielsen hochkarätige Stars einkaufte und dafür Ablösesummen und Gehälter bezahlte, die es so noch nie im Handball gegeben hatte. Olafur Stefansson, der isländische Linkshänder, erhielt über 40 000 Euro netto im Monat, für die polnischen Rückraumstars Karol Bielecki und Grzegorz Tkaczyk zahlte der Club rund 700 000 Euro Ablöse an den SC Magdeburg.

Weil dadurch die Preise abenteuerlich stiegen, zogen sich die Löwen den Zorn der Konkurrenz zu. Sie besaßen den gleichen Status wie einst Bayer Leverkusen im Fußball. Sie wurden als Retorten- und Plastik-Club beschimpft, als seelenloses Gebilde. Als Projektionsfläche der Kritiker diente dabei auch Daniel Hopp, Sohn des SAP-Gründers Dietmar, der als Löwen-Gesellschafter fungiert. Und als Mäzen Nielsen zu Jahresbeginn 2009 einer der tragenden Figuren war, die Manipulationsvorwürfe gegen den Konkurrenten THW Kiel publik zu machen, wurde er als Nestbeschmutzer diffamiert.

Das Ende der Geschichte Nielsens hätte auch in der griechischen Mythologie spielen können. Wie Ikarus stürzte der Mann, der die Sportart neu erfinden wollte, brutal ab, als er durch den Kursverfall seiner Aktien einen Großteil seines Vermögens verlor. AG Kopenhagen, Nielsen zweites Handballprojekt, meldete im Juli Insolvenz hat. Inzwischen wird Nielsen von der dänischen Steuerbehörde verfolgt.

Als Nielsen nicht mehr den jährlichen Millionenverlust ausgleichen konnte, reagierten die Löwen sofort. Im Frühjahr handelte Storm einen Vergleich aus. Das hat, so stellt es Storm heute dar, womöglich die Existenz des Clubs gerettet. Im Sommer war endgültig klar, dass Nielsen seine Verpflichtungen nicht mehr würde erfüllen können. Die Löwen dampften ihren Etat um rund zwei Millionen auf etwa sieben Millionen Euro zusammen. Storm will darüber keine Worte verlieren, nur so viel: "Der Rest, der uns jetzt fehlt, den müssen wir uns hart erarbeiten."

Kein Gerede vom Titel

Es hat also viele unschöne Schlagzeilen gegeben, zuletzt im Sommer. Doch nun, da Nielsen in Mannheim Geschichte ist und die Experten nicht viel von den Löwen erwarten, blüht das Team förmlich auf. "Nach den ganzen Unruhen in den letzten Jahren kann hier etwas entstehen", sagt Storm. Vom Titel zu reden - das verbietet sich aber. "Jeder weiß, dass der THW Kiel über allem steht." Auch der schwedische Neuzugang Kim Ekdahl du Rietz, am Dienstag mit sieben Treffern bester Schütze, sieht den THW Kiel "in einer eigenen Liga".

In Kiel werden die neuen Löwen beobachtet. "Sie haben eine sehr gute Mannschaft", findet Trainer Alfred Gislason. Diese Aussage zeigt, dass sich auch bei den Profis etwas verändert hat. Denn Anerkennung für das Mannschaftsgefüge haben die Löwen in den Vorjahren nie zu hören bekommen.Foto: scholz/dpa

"Auf uns wird genau geschaut, weil wir in den letzten Jahren den Mund zu voll genommen haben."

Thorsten Storm, Manager der Rhein-Neckar Löwen

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