Gegenwind im Olympic Oval

Salt Lake City. Draußen vor der Halle tobte ein Sturm mit Spitzengeschwindigkeiten von 100 Stundenkilometern, die Veranstalter holten die zerfledderten Fahnen von den Masten. Drinnen, im Utah Olympic Oval von Salt Lake City, bliesen Claudia Pechstein kräftige Böen ins Gesicht. "Es ist einfach ekelhaft

 Eisschnellläuferin Claudia Pechstein dreht einsam ihre Runden. Die Konkurrenz vermeidet einen direkten Kontakt zu ihr. Foto: dpa

Eisschnellläuferin Claudia Pechstein dreht einsam ihre Runden. Die Konkurrenz vermeidet einen direkten Kontakt zu ihr. Foto: dpa

Salt Lake City. Draußen vor der Halle tobte ein Sturm mit Spitzengeschwindigkeiten von 100 Stundenkilometern, die Veranstalter holten die zerfledderten Fahnen von den Masten. Drinnen, im Utah Olympic Oval von Salt Lake City, bliesen Claudia Pechstein kräftige Böen ins Gesicht. "Es ist einfach ekelhaft. Manchmal sitzt ein Geschwür in einem Körper, mit dem man leben muss", sagte Olympiasieger Bart Veldkamp, als er Pechstein in der Nacht zu Donnerstag beim Training in der Olympia-Halle von 2002 sah."Es gefällt mir nicht, dass sie hier läuft, aber ich kann nichts dagegen machen", schimpfte der Ex-Freund von Anni Friesinger, der 1992 in Albertville die olympischen 10 000 Meter gewonnen hatte und derzeit als Assistenzcoach des niederländischen Profiteams TVM tätig ist. Er habe mit Sportlern vieler Nationen über die Rückkehr von Deutschlands erfolgreichster Winterolympionikin nach ihrer zweijährigen Sperre wegen auffälliger Blutwerte gesprochen. Die Resonanz sei fast überall gleich: Alle sehen Pechstein als das schwarze Schaf. "Die meisten wollen nicht, dass sie läuft", sagte Veldkamp.

"Sie meint, dass die Strafe ungerecht ist. Der Rest der Welt aber denkt, dass sie zurecht gesperrt wurde", bemerkte die frisch gebackene Mehrkampf-Weltmeisterin Ireen Wüst. Die Niederländerin spricht aber auch von Vergebung. "Es wäre sonst so, als wenn jemand im Gefängnis war und nie wieder fair behandelt wird", räumte sie ein. "Aber ich werde nie eine Freundin von ihr und möchte mit ihr nicht eine Tasse Kaffee trinken", sagte Pechsteins Rivalin. Andere sprechen nur hinter vorgehaltener Hand über Pechstein.

Auch Wüsts Trainer Veldkamp räumte ein, dass Pechsteins Strafe vorbei ist und sie daher das Recht hat, beim Weltcup zu starten. Über die 5000 Meter will die 38-Jährige heute mit einer Topzeit das Ticket für die Einzelstrecken-WM im März in Inzell buchen. "Ich hoffe, die Kontrollen sind an diesem Wochenende gut", meinte Bart Veldkamp und setzte gleich die nächste Spitze.

"Mal sehen, wie gut sie sein wird", meinte hingegen Gianni Romme gespannt. Auch der ehemalige Trainer von Anni Friesiger-Postma und aktuelle Coach der italienischen Nationalmannschaft sieht die Personalie Pechstein mit gemischten Gefühlen. "Im Dezember 2009 hatte sie ihren Start hier über ein Gericht eingeklagt", erinnert sich der Doppel-Olympiasieger aus den Niederlanden an die einstweilige Verfügung der Schweizer Justiz.

Pechstein wollte vor 14 Monaten ihre einzige Chance nutzen, auf der bekannt schnellen Bahn von Salt Lake City die Olympia-Qualifikation für Vancouver über die 3000 Meter zu schaffen, scheiterte aber als 13. Diesmal hingegen, so der Doppel-Olympiasieger von 1998, hat sie die offizielle Erlaubnis des Eislauf-Weltverbandes ISU zu starten.

Pechstein überraschen die Attacken - vor allem aus dem Oranje-Lager - wenig. "Mit einigen kann man, mit anderen nicht. Das wird auch in Salt Lake nicht anders sein", hatte sie schon vorab verkündet. Der Gegenwind im Olympic Oval von Salt Lake City war durchaus einkalkuliert. dpa

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