Fußball-Lesebuch mit Tiefsinn

Saarbrücken. Die Geschichte der deutschen Fußball-Nationalmannschaft beginnt eigentlich bereits neun Jahre vor ihrem ersten offiziellen Länderspiel. Im Winter 1899 trat ein Team aus deutschen Amateurkickern gegen England an

Saarbrücken. Die Geschichte der deutschen Fußball-Nationalmannschaft beginnt eigentlich bereits neun Jahre vor ihrem ersten offiziellen Länderspiel. Im Winter 1899 trat ein Team aus deutschen Amateurkickern gegen England an. 2:13 lautete das wenig schmeichelhafte Ergebnis, was damalige Experten vor allem damit erklärten, dass die Engländer in der Lage seien, den Ball zu stoppen, ihn mit dem Kopf zu spielen und auch die Technik besäßen, das Leder einmal rückwärts zu passen. Solche Raffinessen waren dem deutschen Fußball damals noch unbekannt. Am 5. April 1908 kam es schließlich zum ersten offiziellen Länderspiel gegen die Schweiz. Das ging zwar auch verloren (3:5), was aber eher zweitrangig war. Der Anfang war gemacht. 100 Jahre ist dieses Spiel jetzt her, und seitdem ist mit dem "liebsten Kind der Deutschen" viel passiert. Das Buch "Die Geschichte der Fußball-Nationalmannschaft" beschreibt auf 670 Seiten die Entwicklung von der bunt zusammengewürfelten Arbeitertruppe, die Spieler teilweise aus dem Publikum rekrutieren musste, bis zum Sommermärchen 2006 und der vermeintlichen Favoritenrolle bei der Europameisterschaft in diesem Jahr. Dabei schaffen es die Autoren, die Balance zwischen Spielberichten, sportgeschichtlichem Hintergrund und kleinen Anekdoten zu halten. Neben dem "Wunder von Bern", dem "Wembley-Tor" oder dem "Jahrhundertspiel" bei der WM 1970 gegen Italien werden verschiedene Thematiken rund um den Fußball in Deutschland tiefer gehend behandelt: Der Fußball in der DDR, die Rivalität mit Holland, England oder Österreich und der Multi-Kulti-Faktor im DFB-Team sind nur einige Beispiele. Den größten Teil nimmt die Analyse der Welt- und Europameisterschaften mit deutscher Beteiligung ein. Erfreulicherweise liegt hier, vor allem bei Turnieren der jüngeren Vergangenheit, das Augenmerk auf dem sportlichen Aspekt sowie den Spieler- und Trainerreaktionen. Dazu beschäftigt sich das Buch intensiv mit den Vorgängen innerhalb des DFB. Die Autoren sparen dabei auch nicht mit Kritik. Und machen auch keinen Hehl daraus, dass sie den Reformen unter Jürgen Klinsmann und Joachim Löw sehr positiv gegenüberstehen.Neben 550 Seiten Erzähltext gibt es ein Spieler- und Trainerlexikon mit Daten und Fakten sowie 40 Seiten Statistik, die sich jedoch auf die Auflistung sämtlicher Spiele der Nationalelf mit Aufstellung und Torschützen beschränkt und deshalb den kicker-Almanach gewohnten Fußball-Experten kaum begeistern dürfte. Dietrich Schulze-Marmeling (Hrsg.): Die Geschichte der Fußball-Nationalmannschaft, Verlag Die Werkstatt, Göttingen 2008, 672 Seiten, ISBN 978-3-89533-578-5, 29,80 Euro.

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