Fußball als Integrations-Versuch DFL: Integration funktioniert dank Nachwuchszentren automatisch

Saarbrücken. Sie sind seit Jahrzehnten Alltag. Unter all die Borussias, Palatias oder Viktorias im Saarland mischen sich Vereine wie Dostluk, Zenit oder San Paolo. Zwölf Vereine mit Migrations-Hintergrund oder ethnische Vereine gibt es. Vom ältesten, dem SV San Paolo, 1968 von der ersten Generation italienischer Einwanderer gegründet, bis zum Iranischen Sportverein, der 2007 entstand

Saarbrücken. Sie sind seit Jahrzehnten Alltag. Unter all die Borussias, Palatias oder Viktorias im Saarland mischen sich Vereine wie Dostluk, Zenit oder San Paolo. Zwölf Vereine mit Migrations-Hintergrund oder ethnische Vereine gibt es. Vom ältesten, dem SV San Paolo, 1968 von der ersten Generation italienischer Einwanderer gegründet, bis zum Iranischen Sportverein, der 2007 entstand. Und doch scheinen die Spiele noch immer nicht Normalität zu sein. Für keine der Seiten.

Rassismus oder übertriebene Härte, die Liste der gegenseitigen Vorwürfe ist lang. Selbst wenn die Zahl der Spielabbrüche - mittlerweile gibt es die meisten im Jugendbereich - deutlich zurückgegangen ist: Alleine die Sensibilität, auch losgelöst von der gegenwärtigen Debatte, zeigt, dass die Situation immer noch einen weiten Weg zur Normalität vor sich hat. Doch was war überhaupt der Grund für die Gründungen in der üppig bewachsenen saarländischen Vereinslandschaft?

"Es ging darum, einen sozialen Raum für türkische Jugendliche zu schaffen, die sich integrieren wollen. Und was ist da besser als Fußball?", erinnert sich Nurettin Berber, Jugendleiter beim TSV Dostluk Saarbrücken (gegründet 1984) und Mitarbeiter an der Forschungs- und Transferstelle Gesellschaftliche Integration und Migration an der Hochschule für Technik und Wissenschaft in Saarbrücken: "Das Sportliche war damals eher zweitrangig."

Doch mit der Zeit kam der Alltag. Spieler kamen und gingen und ethnische Hintergründe verloren an Bedeutung. "Wir hatten zeitweise elf Nationen bei Dostluk, und davon waren noch drei Spieler Türken", sagt Berber. Die in ihren Anfängen ethnischen Clubs entwickelten sich immer mehr zu Anlaufstellen für Migranten insgesamt.

Die gegenseitigen Vorwürfe blieben. Beleidigungen - nicht zwangsläufig rassistische - werden als taktisches Mittel eingesetzt, wissend, dass manch einer sich leicht provozieren lässt. Auch wenn es in Saarbrücken mittlerweile eine Arbeitsgruppe dazu gibt, bleibt der Wunsch nach Unterstützung vom Verband. Doch es gibt auch die ganz normalen Probleme. Egal woher, Spieler erwarten viel von den Vereinen, sei es ein Rasenplatz oder Geld. Aber kaum einer der Clubs hat einen eigenen Platz oder ein Vereinsheim, in dem man sich trifft. "Und das ist doch entscheidend bei der Integration. Es ist eine Illusion, dass es genügt, gemeinsam Fußball zu spielen", betont Ekkehart Schmidt-Fink vom TSV Dostluk.

Doch es gibt auch Kritik aus den eigenen Reihen. So haben die Wenigsten eine eigene Jugendabteilung. "Und da beginnt doch Integration", sagt Andreas Klemm, Geschäftsführer des FC Kandil Saarbrücken. Dort wird eine Basis geschaffen, auf der die Vereine über die ethnische Identifikation hinaus überleben. Genau das bereitet aber vielen Vereinen Sorge. San Paolo, Zelos St. Ingbert und Dostluk haben ihre Mannschaften vom Spielbetrieb des Saarländischen Fußball-Verbands zurückgezogen - bei Dostluk und Zelos auf Zeit, bei San Paolo ist die Zukunft unsicher. Frankfurt. Integration funktioniert bei Nachwuchskickern hierzulande nach Ansicht der Deutschen Fußball Liga (DFL) vorbildlich. "Integration findet in den Leistungszentren der Bundesliga-Clubs automatisch statt", sagte Sascha Schmidt von der "EBS Business School" in Wiesbaden, die eine Studie für die DFL erstellt hat. Dabei wurden 1600 Spieler in den 36 Junior-Leistungszentren befragt.

"In Zeiten, in denen viel über Integration diskutiert wird, kann die Bundesliga ein Vorbild für gelungene Integrationsarbeit sein", sagte DFL-Geschäftsführer Christian Seifert bei der Vorstellung der Studie gestern in Frankfurt. Er betonte, dass die DFL "nicht als Wellenreiter" auftreten wolle in der aktuellen Diskussion um Migranten - die Studie sei bereits Ende 2009 angedacht worden.

Die Nachwuchs-Leistungszentren sind verpflichtend für die 36 Profi-Clubs. Seit 2002 wurde über eine halbe Milliarde Euro in sie investiert. 5000 Spieler werden jährlich ausgebildet - knapp 40 Prozent sind Ausländer oder haben einen Migrationshintergrund. "Die Nachwuchsspieler zeichnet ein hoher Grad an Integration aus und eine hohe Identifikation mit Deutschland", sagte EBS-Privatdozent Schmidt. Sie hätten mehr deutsche Freunde als gleichaltrige Jungs, die nicht in Leistungszentren trainieren. Schmidt empfahl, das Modell dieser Elitezentren auf andere gesellschaftliche Bereiche wie die Kultur zu übertragen.

95 Prozent der Fußballer aus den Leistungszentren werden später allerdings nicht Profi. In der Bundesliga sind nach DFL-Angaben derzeit 42 Prozent der Spieler ausländischer Herkunft. Ein hoher Anteil der restlichen 58 Prozent habe einen Migrationshintergrund. dpa

Hintergrund

"Fußball ist mehr als ein 1:0!" lautete das Motto einer Diskussion beim Saarländischen Fußball-Verband zum Thema Integration mit 50 Beteiligten aus den Saarbrücker Kreisklassen. Anlass waren unter anderem die Häufung rassistischer Vorfälle. Im Saarland gibt es zwölf "ethnische Vereine": Albazurra Bous, Ay Yildiz Völklingen, TSV Dostluk (Saarbrücken), Genclerbirligi Homburg, Iranischer SV (Saarbrücken), FC Kandil Saarbrücken, SV San Paolo (Saarbrücken), Stella Sud (Saarlouis), Türkischer SC Neunkirchen, FC Türkiyem Sulzbach, Zelos St. Ingbert und Zenit Saarbrücken. jbö

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