Handball Für ihr Ziel bringen die Mädchen viele Opfer

Saarbrücken · Die weibliche Jugend-Nationalmannschaft bereitet sich an der Hermann-Neuberger-Sportschule in Saarbrücken auf den Girls Cup vor.

Die Gedanken sind schon beim 3000-Meter-Lauf am Mittag. Davor bangt es vielen Mädchen. Mit ihren 16 Jahren sind sie schon Top-Athletinnen. Aber Laufen – das liege vielen nicht, sagt Maik Nowak, Trainer der weiblichen Jugend-Nationalmannschaft. Lucie Kretzschmar kommt ihr Frühstück wieder hoch, wenn sie an die bevorstehende Aufgabe denkt. Denn der Lauf ist auch ein Test. Nowak muss sich bis zu den Europameisterschaften noch von zwei Spielerinnen trennen. Im Moment sind es noch 18.

Seit Montag sind die Mädchen an der Hermann-Neuberger-Sportschule in Saarbrücken zu Gast. Sie bereiten sich nicht nur auf die EM im August in der Slowakei vor, sondern auch auf den Toyota Lambeng Girls Cup ab morgen in der Joachim-Deckarm-Halle in Saarbrücken – einem international hochkarätig besetzten Turnier. Neben den Favoriten Dänemark und Norwegen sind die weiblichen U17-Nationalmannschaften aus Österreich, der Slowakei und Finnland dabei. „Turniere wie dieses gibt es leider zu wenige, aber der saarländische Handballverband kriegt das immer toll organisiert“, erzählt Nowak. Für viele Verbände sei das wirtschaftlich nicht zu stemmen. Das liege vor allem an den oft nicht ausreichenden Zuschauerzahlen.

Nicht das einzige Problem, das dem Frauen-Handball zusetzt. Wer ganz oben mitspielen will, muss Opfer bringen. Frauen mehr als Männer, sagt der Bundestrainer. Aber sie seien auch belastbarer und oft besser organisiert als das männliche Geschlecht. Auch für seine Mädchen ist es nicht leicht, Schule und Sport unter einen Hut zu bringen. Aimée von Pereira spielt beim Buxtehuder SV in der A-Jugend-Bundesliga. Weil sie aber noch bei ihren Eltern wohnt und die Schule nicht wechseln wollte, fährt sie fast täglich eineinhalb Stunden mit dem Zug zum Training. „Viele Schulsachen erledige ich dann in der Bahn“, sagt sie. Für Freunde bleibe kaum Zeit. Immer schwieriger, den Nachwuchs da noch zu motivieren, solche Opfer zu bringen, sagt Nowak. Vielen sei es wichtig, sich voll auf ihre akademische Ausbildung zu konzentrieren.

Doch wenn nicht gerade der 3000-Meter-Lauf bevorsteht, sind Nowaks Mädchen hochmotiviert. Drei Trainingseinheiten am Tag stehen in Saarbrücken an. Mannschaftsführerin Lea Neubrander weiß, wofür. Neben der Teilnahme an der EM ist ihr nächstes großes Ziel, sich in der Juniorinnen-Nationalmannschaft zu etablieren. Ihr Ziel – das müssen sie sich immer wieder vor Augen halten. Lucie Kretzschmar ist schon mit 16 Jahren von zuhause ausgezogen, um beim HC Leipzig Handball spielen zu können. „Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre ich sogar schon ein Jahr früher ausgezogen“, sagt sie. Das habe ihre Mutter aber nicht gewollt. Dabei laste auf der Tochter von Handball-Ikone Stefan Kretzschmar ein besonderer Druck. „Es ist eine Riesen-Herausforderung für Spielerinnen mit bekanntem Namen, dem Leistungsdruck standzuhalten“, sagt ihr Trainer. Trotz psychologischer Betreuung raubten anstehende Spiele Lucie den Schlaf. Denn bei der Leistung, die die Mädchen abrufen, darf man nicht vergessen: Sie sind alle mitten in der Pubertät. Kämpfen zusätzlich mit den gewöhnlichen Problemen einer Heranwachsenden.

Mädchen zu trainieren, sei eine besondere Herausforderung, sagt Nowak, der beides kennt. „Du musst dir jedes Wort zwei Mal überlegen, denn Frauen vergessen nichts“, erzählt er. Deshalb sei es gut, dass neben einem direkten, manchmal etwas härteren Trainer die Psychologin und die Physiotherapeutin weiblich sind, erklärt er. Neun Jahre lang hat Nowak eine Spitzenmannschaft in der Frauen-Bundesliga trainiert. Sieben Jahre eine Herren-Zweitliga-Mannschaft. Im Männerbereich bestehe „eine überragende Struktur“ in der Nachwuchsförderung. Bei den Damen hingegen deutlicher Nachholbedarf. Das liege daran, dass die Qualität der Trainer bei den Männern in der Regel besser sei, der finanzielle Anreiz deutlich höher. Dennoch fühle sich Nowak dem Frauen-Bereich verbunden. Alle sechs Wochen trainiert seine Mannschaft in Lehrgängen zusammen. Weil sie nicht so routiniert im Zusammenspiel sind, stimme manchmal das Timing nicht, erzählen die Spielerinnen. Aber dafür der Mannschaftsgeist. Und das wollen sie auch ab morgen beim Girls Cup in der Deckarm-Halle beweisen.

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