Basketball Die Nachspielzeit am grünen Tisch beginnt

Saarlouis · Die Basketballerinnen der Saarlouis Royals sind sportlich aus der Bundesliga abgestiegen. Jetzt kämpfen sie gegen ihren Punktabzug.

 Die Enttäuschung ist den Spielerinnen der Saarlouis Royals in den Gesichtern abzulesen. Der sportliche Abstieg ist in diesem Moment besiegelt.

Die Enttäuschung ist den Spielerinnen der Saarlouis Royals in den Gesichtern abzulesen. Der sportliche Abstieg ist in diesem Moment besiegelt.

Foto: Ruppenthal

Ondrej Sykora sitzt regungslos auf seinem Stuhl an der Seitenlinie. Der Trainer der Saarlouis Royals starrt auf ein bedrucktes Blatt Papier. 65:70 hat seine Mannschaft gegen Eintracht Braunschweig verloren. Sykora hatte von einem „Finale“ um den Klassenverbleib gesprochen. Nun hält er die Statistik dieses Samstagabends in Händen, dramatische Zahlen, das Protokoll des Abstiegs aus der Damen-Basketball-Bundesliga (DBBL).

Die schwarze Digitaluhr an Sykoras linkem Handgelenk zeigt 20.38 Uhr. In der Stadtgartenhalle haben die Aufräumarbeiten begonnen. Neben dem Trainer werden die Stühle aufgestapelt. Bis der Tscheche, weißes Hemd, elegante Hose, glänzende Lederschuhe, ganz allein dasitzt. Sykora faltet die Statistik zusammen, immer weiter, immer kleiner. Aber die Niederlage lässt sich nicht mehr aus der Welt schaffen.

 Regungslos sitzt der Saarlouiser Trainer Ondrej Sykora nach dem Spiel an der Seitenlinie und starrt ins Leere.

Regungslos sitzt der Saarlouiser Trainer Ondrej Sykora nach dem Spiel an der Seitenlinie und starrt ins Leere.

Foto: Ruppenthal

Um 20.46 Uhr betritt Andreas Abel das Parkett. Der Sportanwalt aus Saarbrücken ist plötzlich der gefragteste Mann in der Halle. Denn: Für die Royals beginnt jetzt die Nachspielzeit am grünen Tisch. Abel soll den Absturz in die 2. Liga mit rechtlichen Mitteln stoppen. „Wir werden den ordentlichen Gerichtsweg bestreiten“, sagt der Jurist. Abel und seine Anwaltskollegin Barbara Haupenthal wollen eine einstweilige Verfügung gegen den Punktabzug erwirken, der Saarlouis ans Tabellenende geführt hat (wir berichteten). Daran könnte sich ein langwieriger Gerichtsprozess anschließen – inklusive einer Klage auf Schadensersatz.

Die Royals sehen sich zu Unrecht sanktioniert, der DBBL werfen sie Formfehler und rechtliche Schnitzer im Schiedsverfahren vor. Ihr juristisches Vorgehen würde die Liga ins Chaos stürzen. Denn in zwei Wochen beginnen die Playoffs. Eine einstweilige Verfügung könnte alles durcheinanderwirbeln. Bekäme Saarlouis drei Punkte zurück, wäre rechnerisch wohl die Endrunde drin. Wird es soweit kommen?

 Die Spielerinnen von Eintracht Braunschweig feiern ihren 70:65-Auswärtssieg in der Saarlouiser Stadtgartenhalle.

Die Spielerinnen von Eintracht Braunschweig feiern ihren 70:65-Auswärtssieg in der Saarlouiser Stadtgartenhalle.

Foto: Ruppenthal

„Wir werden alle Register ziehen“, sagt Manager Sascha Schmidt am Samstagabend zwar. „Aber wir können jetzt nicht planen, dass wir Playoffs spielen – momentan sind wir sportlich abgestiegen.“ Die Mannschaft werde in der nächsten Woche nicht mehr trainieren, sagt er. Stattdessen sollen die Vereine der DBBL laut Schmidt schriftlich über einen Antrag der Royals abstimmen, einen Kompromissvorschlag.

Saarlouis möchte die Spielklasse aufstocken lassen, so die Auseinandersetzung um den Punktabzug beenden, dem Abstieg entrinnen – ohne Anrufung eines Gerichts. Zwar signalisierte auch die DBBL schon ihre Bereitschaft, „eine saubere und vernünftige Lösung zu finden“, wie es Liga-Vorstand Andreas Wagner ausdrückte. Zuletzt vertagte man jedoch eine Entscheidung über den Vorschlag aus dem Saarland. Alle Beteiligten wollten den letzten Spieltag am Samstagabend noch abwarten – das Abstiegsduell gegen Braunschweig.

Es ist 18.52 Uhr, als in Saarlouis die Lichter ausgehen. In der Stadtgartenhalle wird es mächtig laut, Klatschpappen, Trommelschläge. Mehr als 1000 Zuschauer sind gekommen, die Spielerinnen laufen mit Getöse ein. „Let’s go, Royals“, schallt es aus dem Publikum, auf geht’s. Doch die Mannschaft von Trainer Sykora findet nicht in die Partie, im ersten Viertel unterlaufen ihr sieben Ballverluste, die Trefferquote ist mau, dazu kommt Pech. Dafür punkten die Niedersachsen mit einer hoher Verlässlichkeit, allen voran Janae Louise Smith (26 Punkte). „Braunschweig hat uns vom ersten Viertel an überrannt, wir hatten zuerst keine Mittel dagegen“, sagt Nationalspielerin Nadjeschda Ilmberger später.

So zieht die Eintracht davon, zehn Punkte beträgt der Rückstand nach dem ersten Viertel, im zweiten Abschnitt sind es beim Stand von 16:30 plötzlich 14 Zähler. Sykora wendet den Blick wiederholt vom Spielfeld ab, er schaut nach oben zur Anzeigetafel, die Hände in die Hüften gestemmt. Die Körpersprache: Heute zählt nur das Ergebnis. Kommt da noch was?

In der ersten Hälfte ist es die Niederländerin Esther Fokke, die mit zehn Punkten heraussticht, Willen und Präsenz zeigt. Es gehört zur Dramaturgie dieses Abends, dass ausgerechnet sie sich verletzen und in der Schlussphase fehlen wird. Davor hilft sie ihrer Mannschaft, den Anschluss zu halten, sich heranzukämpfen. Kurz nach der Pause fällt das 39:39 – der Ausgleich.

In der 27. Minute bringt die US-Amerikanerin Ariel Hearn die Royals mit 46:44 in Front, die Lautstärke in der Halle schwillt an. Hearn gelingen in der zweiten Hälfte beachtliche 16 Punkte, mehrfach holt Sykora seine Schlüsselspielerin zu sich, gibt ihr taktische Anweisungen. Enger könnte die Partie nicht sein, die Gäste lassen nie nach. Dreieinhalb Minuten vor Schluss hüpft ein Ball von Hearn vom Ring in den Korb, das 63:62 für Saarlouis, die letzte Führung. Danach reißt der dünne Faden, aus einem werden zwei, drei, fünf Punkte Rückstand.

Als die Partie endet, ist der Abstieg der Royals besiegelt, weil parallel der Tabellenletzte Chemnitz gegen Nördlingen (80:63) gewonnen hat. „Wir hatten es selber in der Hand“, hadert Kimberly Pohlmann: „Wir haben das Spiel selber verloren.“ Zur Aussicht auf den nachträglichen Klassenverbleib sagt die Kapitänin: „Ich hätte es natürlich gerne sportlich geschafft, aber ich möchte in der 1. Liga bleiben, egal wie.“

Es vergehen gut zehn Minuten, bis ihr Trainer sich von seinem Platz an der Seitenlinie erhebt. Im ersten Interview ringt Sykora mit den Worten. Dann holt ihn Manager Schmidt eilig ab, die Pressekonferenz steht an. Dort sagt Sykora selbstbewusst, das Ziel sei, die Royals wieder nach oben zu bringen. Ob er den Wiederaufstieg meint oder von den Playoffs träumt, geht im Gefühlschaos unter.

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